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Blutungsrisiken unter oraler Antikoagulation

6. Hämostase-Update-Seminar, 23./24.4.2021

Bei der Therapie mit oralen Antikoagulantien muss immer die Gefahr einer schweren, ggf. lebensbedrohlichen Blutung berücksichtigt werden, wie auf dem 6. Hämostase-Update-Seminar am 23. und 24. April 2021 (Livestream-Veranstaltung) anhand aktueller Studiendaten betont wurde. Bei Nichtbeachten entsprechender Risiken und Eintreten schwerer Komplikationen droht der Vorwurf eines Behandlungsfehlers.

Gefährliche Arzneimittelwechselwirkungen kennen und vermeiden

Bei der Einnahme weiterer Medikamente neben einer oralen Antikoagulation kann es durch Wechselwirkungen zu einem erhöhtem Blutungsrisiko kommen, warnte Rupert Bauersachs von der Klinik für Gefäßmedizin am Klinikum Darmstadt. Solche Arzneimittelwechselwirkungen mit Antithrombotika können pharmakokinetischer Ursache sein (durch Spiegelerhöhung oder -erniedrigung), z. B. durch Induktion oder Inhibition am Cytochrom P450 oder P-Glykoprotein, oder pharmakodynamisch, etwa durch gleichzeitige Thrombozytenaggregations-Hemmung, beispielsweise bei nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR).

So zeigt eine aktuelle Studie anhand von koreanischen Krankenversicherungsdaten (1), dass bei oraler Antikoagulation oft Begleitmedikamente mit potenziellen Wechselwirkungen eingesetzt werden, und dass sich eine solche Medikation häufig bei auftretenden Blutungen findet. Führend sind dabei NSAR und Thrombozytenaggregations-Hemmer noch vor anderen Medikamenten, bei denen pharmakokinetische Interaktionen bestehen. Bei den selektiven Serotoninwiederaufnahme-Hemmern (SSRI) könnte das verminderte Thrombozytenserotonin zu einer abgeschwächten Thrombusbildung führen.

Im Propensity-Score-Matching zeigt sich sogar, dass nur die Begleitmedikation und nicht die Grunderkrankungen signifikanten Einfluss auf die Blutungshäufigkeit nehmen. Das Blutungsrisiko war umso ausgeprägter, je mehr Medikamente gleichzeitig zum Einsatz kamen.

Die gleichzeitige Verordnung von NSAR, Thrombozytenaggregations-Hemmern und/oder SSRI neben einer oralen Antikoagulation sollte daher sehr kritisch erfolgen; bezüglich möglicher pharmakokinetischer Interaktionen sollten die verfügbaren Leitfäden oder entsprechende Apps zurate gezogen werden, forderte Bauersachs.

Stürze im Alter unter Antikoagulation besonders gefährlich

Stürze spielen im höheren Lebensalter als Ursache für das Auftreten schwerer Blutungen unter oraler Antikoagulation eine wichtige Rolle und sind die führende Ursache für verletzungsbedingte Todesfälle im hohen Alter, berichtete Edelgard Lindhoff-Last vom CardioAngiologischen Centrum Bethanien (CCB) in Frankfurt.

Einer von vier Älteren stürzt einmal pro Jahr, und 20 % bis 30 % dieser Patienten haben mäßige bis schwere Verletzungen. Diese führen jährlich in den USA jedes Jahr zu 30.000 Todesfällen, zu 3 Millionen Vorstellungen in Notfallaufnahmen und zu 800.000 stationären Aufnahmen.

In einer großen US-amerikanischen Studie (2) wurden alle Patienten älter als 65 Jahre mit Stürzen erfasst, die einen Sturz in den ersten 6 Monaten 2013 und 2014 erlitten hatten und erneut mit einem Sturz stationär aufgenommen worden waren. Insgesamt wurden 331.982 Patienten mit stationärer Aufnahme wegen eines Sturzes analysiert, von denen 15.565 wegen eines wiederholten Sturzes aufgenommen worden waren. Während die Rate blutender Verletzungen bei Patienten mit und ohne Antikoagulation ähnlich hoch lag (12,8 % vs. 12,7 %), wiesen die Patienten unter Antikoagulation eine signifikant höhere Mortalität unter Antikoagulation auf (21,5 % vs. 6,9 %).

Daher spielt insbesondere im sehr hohen Lebensalter die Sturzprävention eine entscheidende Rolle, um lebensbedrohliche Blutungen unter oraler Antikoagulation zu vermeiden, so Lindhoff-Last.

Literatur

1 Lee, J.Y., Oh, I.Y., Lee, J.H. et al. (2020). The increased risk of bleeding due to drug-drug interactions in patients administered direct oral anticoagulants. Thromb Res, 195, 243-249.

2 Chiu, A.S., et al. (2018). Recurrent falls among elderly patients and the impact of anticoagulation therapy. World J Surg, 12, 3932-3938.

G.-M. Ostendorf, Wiesbaden ■