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Behandlungsfehler in der Geburtshilfe

Behandlungsfehler in der Schwangerenbetreuung und v. a. bei der Geburt können schwere gesundheitliche Folgen für Mutter und/oder Kind haben und sind immer wieder Gegenstand entsprechender Arzthaftpflichtprozesse. Zu diesem Thema wurden auf dem 12. Gynäkologie-Geburtshilfe-Update-Seminar am 19. und 20. Februar 2021 (Livestream-Veranstaltung) wichtige aktuelle Informationen gegeben, wie folgende Auszüge entsprechender Referate zeigen:

Transposition der großen ­Gefäße ­pränatal erkennen!

Die pränatale Diagnostik hat einen entscheidenden Einfluss auf die Prognose des Neugeborenen bei einer Transposition der großen Gefäße, erklärte Franz Kainer von der Abteilung für Geburtshilfe und Pränatalmedizin an der Klinik Hallerwiese in Nürnberg.

Die Transposition der großen Gefäße gehört zu den zyanotischen Vitien und betrifft 5 % bis 7 % aller Herzfehlbildungen. Diese Fehlbildung ist lebensbedrohlich für das Neugeborene, wenn die Diagnose zu spät gestellt wird. Daher hat die pränatale Entdeckung einen entscheidenden Einfluss auf die Mortalität und Morbidität.

Nachdem bislang nur 30 % bis 50 % der Fälle pränatal erkannt werden, ist eine intensivere Schulung angezeigt, forderte Kainer. Die diagnostische Sicherheit könne erhöht werden, wenn alle sonographischen Hinweiszeichen einer Transposition der großen Gefäße zum Einsatz kommen. Dabei sei die Einstellung im sogenannten Dreigefäßblick von großer Bedeutung.

Verdacht auf eine Weiß­kittelhypertonie in der Schwangerschaft abklären

Eine aktuelle Meta-Analyse von Johnson et al. (1) bestätigt die bisherigen Empfehlungen, dass bei Verdacht auf eine Weißkittelhypertonie in der Schwangerschaft diese weiter abgeklärt und im Verlauf weiter überwacht werden muss, berichtete Sven Kehl von der Frauenklinik (Perinatalzentrum) am Universitätsklinikum Erlangen. In der Untersuchung zeigt sich, dass eine Weißkittelhypertonie negative Effekte auf das mütterliche und auch das fetale Outcome haben kann.

Im außerklinischen Alltag werde jedoch oftmals mit dieser Diagnose zu leichtfertigt umgegangen, kritisierte Kehl; ambulante Kontrollen mittels Blutdrucktagebuch oder eine weitere Abklärung mittels 24-Stunden-Blutdruckmessung finden häufig nicht statt. Dies könne jedoch zu forensischen Problemen bei Auftreten einer typischen Komplikation, etwa einer Präeklampsie, führen.

Neue S2k-Leitlinie „­Geburtseinleitung“

Die Geburtseinleitung gehört zu den häufigsten Maßnahmen im klinischen Alltag, weshalb Empfehlungen zur Indikation, Methodik und Überwachung essentiell sind, erklärte Kehl weiter. Insbesondere durch die möglichen Nebenwirkungen einer medikamentösen Geburtseinleitung hat dies auch eine hohe forensische Relevanz. Nicht zuletzt die mediale Diskussion über die Verwendung von Misoprostol hat gezeigt, dass sich die Gynäkologen und Geburtshelfer in den Kliniken Sicherheit durch Empfehlungen von Fachgesellschaften wünschen.

Die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e.V. (DGGG) hat nun – angesichts der öffentlichen Brandmarkung von Misoprostol in Stellungnahmen – Position bezogen und mit der S2k-Leitlinie der AWMF „Geburtseinleitung“, Stand 1.12.2020 (2), den Gynäkologen Sicherheit gegeben.

Zu den wichtigsten Punkten in der Leitlinie gehört etwa das Kapitel über die Indikationen, erklärte Kehl. Die Indikation zur Durchführung einer Geburtseinleitung müsse kritisch gestellt werden; die vermuteten Vorteile müssten mit den möglichen Nachteilen abgewogen werden. Allgemeines Ziel sei das Erreichen eines besseren perinatalen Ergebnisses für Mutter und Kind durch eine Geburtseinleitung als durch eine abwartende Haltung.

Warnung vor „Vaginal Seeding“ nach Sectio

Bislang fehlt der klinische Beleg, dass „Vaginal Seeding“ bei Sectio-geborenen Kindern das mit diesem Geburtsmodus einhergehende erhöhte Risiko für atopische, allergische, autoimmune oder metabolische Erkrankungen reduziert, kritisierte Viola Andresen von der Medizinischen Klinik am Israelitischen Krankenhaus Hamburg auf dem 12. Gynäkologie-Geburtshilfe-Update-Seminar am 19. und 20. Februar 2021 (Livestream-Veranstaltung).

Beim „Vaginal Seeding“ werden per Sectio geborene Kinder nach der Geburt mit dem Vaginal-Sekret der Mutter auf der Haut und/oder in der Mundschleimhaut eingerieben. Größere Studien, die eine Wirksamkeit auch bezüglich längerfristiger klinischer Endpunkte beweisen, stehen jedoch bislang aus. Typische Vaginalkeime siedeln sich ohnehin nicht langfristig im intestinalen Mikrobiom an, führte Andresen aus.

Vielmehr gibt es auch kritische Einwände, dass dieses Verfahren das Risiko einer Übertragung von pathogenen Erregern des Vaginal-Bereiches wie Herpes simplex, Streptococcus der Gruppe B, Chlamydia trachomatis oder Neisseria gonorrhoea mit sich bringt. Besonders problematisch ist der Umstand, dass bei diesem Verfahren häufig nicht auf
potentielle Krankheitserreger gescreent wird.

Bei unklarem klinischem Nutzen und eindeutig erhöhtem Risiko für übertragbare Infektionen sprechen sich eine Reihe von internationalen Fachgesellschaften wie z. B. das „American College of Obstetrics and Gynaecology“ gegen die Anwendung ein „Vaginal Seeding“ nach einer Sectio aus.

G.-M. Ostendorf, Wiesbaden

Literatur

1 Johnson, S., Liu, B., Kalafat, E., Thilaganathan, B., Khalil, A. (2020). Maternal and perinatal outcomes of white coat hypertension during pregnancy: A systematic review and meta-analysis. Hypertension, 1, 157-166

2 S2k-Leitlinie der AWMF „Geburtseinleitung“. https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/015-088.html