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S. Bultmann, T. Brusis, T. Kurzweg

Anwesenheit Dritter bei der Begutachtung: Anmerkung zum BSG-Urteil vom 27.10.2022*

Zusammenfassung

Im gutachterlichen Alltag psychiatrischer aber auch somatischer Fächer kommt es im Rahmen der Begutachtung vor, dass zu Begutachtende eine Vertrauensperson zur Untersuchung mitbringen. Während einige Gutachter Begleitpersonen zulassen und sogar
als hilfreich empfinden, lehnen andere Sachverständige die Anwesenheit von Dritten in der Begutachtungssituation grundsätzlich ab.

Das Bundessozialgericht (BSG) hat in einem aktuellen Urteil entschieden, dass die Anwesenheit einer Begleitperson grundsätzlich zulässig ist und eröffnet eine praktisch relevante Diskussion für den Alltag von Sachverständigen und Gerichten. Es soll aufgezeigt werden, dass der Entscheidung nur bedingt gefolgt werden kann und weiterhin der Sachverständige die Entscheidungskompetenz darüber haben muss, ob er eine Begleitperson zulässt. Die Begutachtungssituation stellt nur die Vorbereitungshandlung zum Beweismittel „Gutachten“ dar, so dass die Grundsätze über prozessuale Handlungen „vor dem Richter“ gerade nicht uneingeschränkt gelten können.

Schlüsselwörter Begutachtung – Beweisaufnahme – Begleitperson – Anamneseerhebung – Vorbereitungshandlung zur Gutachtenerstellung – psychiatrische/somatische Untersuchung (HNO) – Prozesshandlungen „vor dem Richter“ vs. „vor dem Sachverständigen“ – effektiver Rechtsschutz – Weisungsrecht – Kompetenz des Sachverständigen

MedSach 119 5/2023: 217–225

Presence of third parties in an assessment: Remarks on the BSG ruling of 27.10.2022

Abstract

In the day-to-day work of experts in both psychiatry and somatic disciplines, it sometimes happens that test subjects bring a confidant with them to the examination. While some experts allow accompanying persons and even find this helpful, others refuse to allow third parties to be present in an examination situation as a matter of principle.

In a recent ruling, the federal social court (BSG) decided that the presence of an accompanying person is permitted in principle, opening up a discussion of practical relevance for the everyday work of experts and courts. The article is intended to show that the decision can only be applied under certain conditions and that the expert must retain the authority to decide whether to allow an accompanying person. The assessment situation constitutes only the preparatory stage to the preparation of an “expert report” as evidence, so that the principles governing procedural matters “before the judge” cannot apply without limitation.

Keywords taking of evidence – accompanying person – anamnesis – preparatory stage to the preparation of an expert report – psychiatric/somatic examination (HNO) – procedural matters “before the judge” vs. “before the expert” – effective legal protection – right to issue instructions – authority of the expert

Anschrift der Verfasser

Stefan Bultmann
Richter am Sozialgericht
Sozialgericht Hamburg
Dammtorstraße 7
20354 Hamburg

Prof. Dr. med. Tilmann Brusis
HNO-Facharzt
Institut für Begutachtung
Köln

Dr. med. Thiemo Kurzweg
HNO-Facharzt, HNO-Praxis
Eidelstedter Platz
22523 Hamburg