Springe auf Hauptinhalt Springe auf Hauptmenü Springe auf SiteSearch
M.Forchert

Begutachtung der Kausalität – aus rechtlicher Sicht

Zusammenfassung

Im Recht herrscht eine deterministische Weltsicht, nach der jede Wirkung (Folge) eine Ursache und jede Ursache eine Wirkung hat. Weder statistische Häufung (Korrelation) noch Risikoerhöhung erfüllen den rechtlichen Kausalitätsbegriff. Kausalität beschreibt eine logische Beziehung zwischen Ursache und Folge, indem die Ursache notwendige Bedingung („conditio sine qua non“) der Folge sein muss.

Kausalität zu beweisen heißt, ein singuläres Ereignis kausal zu erklären. Kausale Erklärungen werden in der Praxis stets nur skizziert werden können. Zwingend ist die Existenz kausaler Gesetze, selbst wenn sie im Einzelnen nicht bekannt sind. Zusammen mit den Anknüpfungstatsachen müssen sie einen logisch einwandfreien Schluss („Deduktion“) von der Ursache auf die Wirkung erlauben. Damit von Sachverständigen skizzierte kausale Erklärungen als wahr akzeptierbar sind, müssen sie begründet werden. Dazu eignen sich epidemiologisch-statistische Erkenntnisse besonders gut.

In der Praxis kommt es auf die kausalen Gesetze nur selten an. Die zentrale Aufgabe, die Sachverständige bei der Begutachtung des Ursachenzusammenhangs haben, ist es, den Erstschaden und die konkurrierenden Ursachen wirklichkeitsgetreu zu rekonstruieren und deren Verhältnis zueinander, deren „Mitwirkungsanteile“, zu bestimmen. Alle relevanten Informationen müssen zusammengetragen werden, die die medizinische Wissenschaft anzubieten hat. Dazu gehören sowohl epidemiologische Erkenntnisse als auch ärztliches Erfahrungswissen.

Die Entscheidung darüber, ob eine kausale Erklärung als wahr akzeptiert und Kausalität damit als nachgewiesen angesehen werden kann, müssen letztlich Versicherungsträger und Gerichte treffen. Außerdem müssen sie beurteilen, ob das versicherte Ereignis rechtlich wesentliche Ursache des Gesundheitsschadens ist. Maßstab ist der Schutzzweck der gesetzlichen Unfallversicherung. Das heißt, es muss die Grenze gezogen werden zwischen allgemeinen Lebensrisiken, für die die gesetzliche Krankenversicherung zuständig ist, und dem besonderen Risiko, für das die gesetzliche Unfallversicherung haftet. Diese rechtliche Bewertung, die Zurechnung, ist nie die Aufgabe von medizinischen Sachverständigen.

Schlüsselwörter Arbeitsunfall – Beweis – Gutachten – kausale Erklärung – Ursachenzusammenhang – Zurechnung

MedSach 118 4/2022: 162–175

Assessment of causality – from a legal perspective

Abstract

In law, a deterministic worldview prevails: every effect has a cause and every cause has an effect. Neither statistical accumulation (correlation) nor an increase in risk fulfils the legal concept of causality. Causality describes a logical relationship between cause and consequence, where the cause is a necessary condition (“condicio sine qua non”) of the consequence.

To prove causality is to explain a singular event in causal terms. In practice, causal explanations can only ever be sketched out. The existence of causal laws is compelling, even if they are not known in detail. Together with the connecting facts, they must allow a logically flawless conclusion (“deduction”) from cause to effect. For causal explanations to be acceptable as true, they must be substantiated. Epidemiological-statistical findings are particularly suitable for this.

In practice, causal laws rarely matter. The central task of experts when considering the causal relationship is to reconstruct the initial damage and the competing causes in a realistic manner and to determine their relationship to each other, their “contributory shares”. All relevant information that medical science has to offer must be gathered. This includes epidemiological findings as well as empirical knowledge.

The decision whether a causal explanation can be accepted as true and causality can thus be considered proven must ultimately be made by insurers and courts. They must also assess whether the insured event is a legally material cause of the damage to health. The yardstick is the protective purpose of statutory accident insurance. This means drawing a line between general life risks, which is covered by statutory health insurance, and the particular risk, for which statutory accident insurance is liable. This legal assessment, known as attribution, is no task for medical experts.

Keywords occupational accident – proof – expert report – causal explanation – causal relationship – attribution

Anschrift des Verfassers

Martin Forchert
Leiter der Stabsstelle UV-Recht
Berufsgenossenschaft Holz und Metall
Nikolaus-Dürkopp-Straße 8
33602 Bielefeld