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LSG NRW, Beschluss vom 22.04.2021 – L 15 U 670/18

Leitsatz:

Die Erstattung von besonderen Aufwendungen nach § 12 Abs. 1 S. 2 JVEG findet nur für verbrauchte Stoffe und Werkzeuge statt. Für die bloße Benutzung und fortlaufende Abnutzung von Werkzeugen, Geräten und technischen Einrichtungen ist keine Entschädigung zu zahlen (Bestätigung von LSG NRW vom 2.10.2019 - L 15 SB 285/19 B - MedSach 2020, 93 f.).

Aus den Gründen

Über die von der Staatskasse beantragte richterliche Festsetzung der Vergütung gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 1 JVEG entscheidet der Senat in der Besetzung mit drei Berufsrichtern ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter, weil er der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beimisst (§ 4 Abs. 7 Satz 2 und 3 JVEG).

Die Vergütung des Antragsgegners für sein im Berufungsverfahren erstattetes Sachverständigengutachten vom 18.5.2020 ist, im Wesentlichen wie von der Staatskasse beantragt, auf 3.350,20 Euro festzusetzen. Dies entspricht der vom Antragsgegner mit Rechnung vom 18.05.2020 geltend gemachten und inhaltlich nicht zu beanstandenden Vergütung nach Zeitaufwand nach § 8 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, § 9 JVEG (27,5 Stunden zu je 100,- Euro nach der Vergütungsgruppe M 3 = 2.750,- Euro) zuzüglich Porto in Höhe von 9,49 Euro (§ 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 JVEG), Schreibauslagen in Höhe von 55,80 Euro (§ 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 JVEG) und Umsatzsteuer (§ 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 JVEG) in Höhe von 534,91 Euro.

Nicht vergütungsfähig sind demgegenüber die vom Antragsgegner als „Sachleistungen nach dem DKG-NT“ geltend gemachten Kosten in Höhe von insgesamt 99,43 Euro sowie die hierauf entfallende Umsatzsteuer.

1. Die in der Rechnung vom 18.05.2020 im Einzelnen unter Angabe von GOÄ-Ziffern genannten Positionen sind nicht nach § 10 Abs. 1 JVEG i.V.m. Anlage 2 zum JVEG gesondert erstattungsfähig. Die allein in Betracht kommende Ziffer 305 der Anlage 2 zum JVEG („Elektrophysiologische Untersuchung eines Menschen“) ist für keine der genannten Positionen einschlägig (so schon im Ergebnis der Beschluss des Senats vom 02.10.2019 - L 15 SB 285/19 B -, juris Rn. 7).

… Bei keiner der in Gestalt von Abrechnungspositionen als vergütungsrelevant angegebenen Untersuchungen handelt es sich um die unmittelbare und direkte Ableitung elektrischer Potentiale.

2. Ein Anspruch auf Vergütung der als „Sachleistungen nach dem DKG-NT“ geltend gemachten Kosten folgt auch nicht aus § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 JVEG.

Der Senat hat im Beschluss vom 02.10.2019 - L 15 SB 285/19 B - (abgedruckt in MedSach 2020, 93 f.) bereits entschieden, dass nur für „verbrauchte“ Stoffe und Werkzeuge eine Erstattung von Auslagen stattfindet, wohingegen für die bloße Benutzung und fortlaufende Abnutzung von Werkzeugen, Geräten und technischen Einrichtungen keine Entschädigung nach § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 JVEG zu zahlen ist. Der Senat hat ferner entschieden, dass die einzelnen verbrauchten Werkzeuge und Stoffe und die dadurch entstandenen Kosten zu spezifizieren und zu konkretisieren sind.

An diesen Grundsätzen hält der Senat auch unter Berücksichtigung der Ausführungen des Antragsgegners im vorliegenden Verfahren fest. Danach sind die als „Sachleistungen nach dem DKG-NT“ geltend gemachten Kosten nicht als Kosten für verbrauchte Stoffe und Werkzeuge oder Aufwendungen für Hilfskräfte im Sinne von § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 JVEG erstattungsfähig. Der Antragsgegner hätte vielmehr im Einzelnen darlegen müssen, welche Stoffe und Werkzeuge bei seinen Untersuchungen verbraucht wurden und welche Kosten daraus entstanden sind. Ebenfalls hätte er darlegen müssen, welche Hilfskräfte er in Anspruch genommen hat und welche Aufwendungen ihm dadurch entstanden sind.

Dies hat er jedoch nicht getan. Er hat vielmehr vorgetragen, dass er die Gerätschaften des Instituts für Begutachtung und die dort angestellten Hilfskräfte nutzt und hierfür nach den Vereinbarungen mit dem Institut für medizinische Begutachtung Kosten in Höhe der im Normaltarif der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG-NT) genannten Sachkosten entrichten muss. Der DKG-NT und die dort als „Sachkosten“ bezeichneten Positionen sind jedoch keine Grundlage für nach § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 JVEG erstattungsfähigen Kosten (so auch LSG Baden-Württemberg v. 18.06.2020 - L 10 KO 1328/20 -, juris Rn. 13). Zum einen handelt es sich um Pauschalen, die von der DKG zur Abrechnung von ambulanten Krankenhausleistungen gegenüber Selbstzahlern festgelegt wurden. Pauschalen können nach dem JVEG aber nur dann zur Anwendung kommen, wenn sie gemäß § 14 JVEG zwischen dem Sachverständigen und zuständigen Stelle vereinbart wurden. Wie sich im Umkehrschluss aus § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und 3 JVEG ergibt, sind Auslagen nach dem JVEG im Übrigen nicht pauschal zu ersetzen. Zum anderen ist auch nicht ersichtlich, was der DGK-NT als „Sachkosten“ auffasst, so dass eine Abgrenzung zwischen den Auslagen nach § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 JVEG und den nicht gesondert zu ersetzenden Kosten für die Ausstattung mit und die Abnutzung von Geräten, Werkzeugen etc. nicht möglich ist.

Der Senat verkennt nicht, dass ohne Zweifel bei den vom Antragsgegner durchgeführten Untersuchungen Stoffe verbraucht und vor allem auch Hilfskräfte in Anspruch genommen wurden. Kosten, die dadurch dem Antragsgegner selbst entstehen oder beim Institut für Begutachtung anfallen und dem Antragsgegner in Rechnung gestellt werden, sind grundsätzlich nach § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 JVEG erstattungsfähig. Sie müssen aber im Einzelnen spezifiziert und beziffert werden, was hier wegen des Ablaufs der Frist nach § 2 Abs. 1 Satz 1 JVEG freilich nicht mehr möglich wäre, weil es sich in der Sache um eine Nachforderung handeln würde. Dies gilt im Übrigen für eigene Begutachtungen durch den Inhaber des Instituts für Begutachtung ebenso. Ein pauschaler Ersatz von „Sachkosten nach dem DGK-NT“ ist hingegen nach dem JVEG nicht möglich. Soweit dies die vom Antragsgegner genannten Gerichte anders gesehen haben, teilt der Senat diese Auffassung aus den dargelegten Gründen nicht.

3. Weiterhin ergibt sich ein Anspruch auf Erstattung der als „Sachleistungen nach dem DKG-NT“ geltend gemachten Kosten auch nicht aus § 7 Abs. 1 JVEG (so auch schon Beschluss des Senats vom 02.10.2019 - L 15 SB 285/19 B - Rn. 16). Ein Ersatz für sonstige Aufwendungen ergibt sich nach dieser Vorschrift nur in Bezug auf die in den §§ 5, 6 und 12 JVEG nicht besonders genannten baren Auslagen (§ 7 Abs. 1 Satz 1 JVEG). Die von dem Sachverständigen als „Sachleistungen nach dem DKG-NT“ geltend gemachten Kosten sind jedoch in § 12 Abs. 1 Satz 1 JVEG ausdrücklich genannt. Entweder handelt es sich um von vornherein nicht gesondert erstattungsfähige Gemeinkosten, nämlich für die Benutzung von Werkzeugen, Geräten und technischen Einrichtungen, die mit der Vergütung nach § 9 JVEG nach dem Zeitaufwand abgegolten sind, oder um Auslagen nach § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 JVEG, die der Antragsgegner jedoch nicht, wie es geboten gewesen wäre, spezifiziert und konkretisiert hat.

4. Schließlich kommt auch wegen der als „Sachleistungen nach dem DKG-NT“ geltend gemachten Kosten keine Erhöhung des Zeitaufwandes und dementsprechend eine Erhöhung der Vergütung nach § 9 JVEG in Betracht. Den Zeitaufwand für die als „Sachleistungen nach dem DKG-NT“ geltend gemachten Leistungen hat der Sachverständige bereits als Zeitaufwand für die Untersuchung geltend gemacht. Dieser Aufwand ist ihm auch vergütet worden.

Redaktionell überarbeitete Fassung
eingereicht von P. Becker, Kassel