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Wann ist Liposuktion bei Lipödem medizinisch notwendig?

Aus dem Tätigkeitsbericht des Ombudsmanns der PKV

In seinem Tätigkeitsbericht für das Jahr 2022 berichtet Heinz Lanfermann, Ombudsmann Private Kranken- und Pflegeversicherung (PKV), ausführlich über die Beurteilung der medizinischen Notwendigkeit einer Heilbehandlung als Grundvoraussetzung für den Anspruch auf Leistung in der PKV.

Die Versicherten gehen oftmals davon aus, dass der Versicherer sie zunächst einer vertrauensärztlichen Untersuchung unterziehen müsse, ehe er die durch den behandelnden Arzt getroffene Entscheidung hinterfragen kann. Dies ist jedoch nicht richtig: Eine Verpflichtung zur Durchführung einer ärztlichen Untersuchung besteht seitens des Versicherers nicht. Vielmehr kann dieser die medizinische Notwendigkeit auch anhand der ihm zur Verfügung gestellten Unterlagen (ärztliche Atteste, Beschwerdebild etc.) beurteilen – ggf. auch unter Hinzuziehung eines Beratungsarztes.

Als instruktives Beispiel aus dem Schlichtungsalltag schildert der Ombudsmann den Fall einer Liposuktion bei Lipödem:

Bei der (privat versicherten) Antragsstellerin war ein Lipödem II. Grades an Armen und Beinen diagnostiziert worden. Hierbei handelt es sich um eine anlagebedingte Fettverteilungsstörung, welche zu einer krankhaften Vermehrung des Fettgewebes führt. Die behandelnden Ärzte hatten ihr die operative Entfernung des Fettgewebes mittels Liposuktion („Fettabsaugung“) an den betroffenen Körperstellen empfohlen.

Der Versicherer hatte die beigebrachten ärztlichen Unterlagen mehrfach von einer durch ihn herangezogenen Ärztin prüfen lassen und letztlich eine Kostenzusage wegen fehlender medizinischer Notwendigkeit abgelehnt. Die Antragstellerin beantragte daraufhin beim Ombudsmann die Durchführung eines Schlichtungsverfahrens.

Im Rahmen des Ombudsmannverfahrens argumentierte der Versicherer, dass primär die vorliegende Adipositas zu behandeln sei. Dabei stützte er sich auf die S1-Leitlinie der deutschen Gesellschaft für Phlebologie zur Behandlung des Lipödems, nach der bei einem BMI > 32 kg/m² zunächst die bestehende Adipositas therapeutisch angegangen werden sollte.

Auch waren die konservativen Maßnahmen zur Behandlung eines Lipödems nicht erschöpft. So ist nach der o. g. Leitlinie bei einem Lipödem die kombinierte physikalische Entstauungstherapie (KPE) konsequent anzuwenden. Falls ein Therapieerfolg ambulant nicht zu erzielen ist, kann auch eine stationäre Behandlung erfolgen. Bietet die konsequent durchgeführte konservative Therapie keine Linderung, kann nach der Leitlinie letztlich eine Liposuktion angezeigt sein.

Leitlinien der ärztlichen Fachverbände haben als Empfehlungen zwar keinen bindenden Charakter und sind nicht Bestandteil des Versicherungsvertrages, erklärt Lanfermann. Allerdings werden sie von fachkompetenten Ärzten erstellt und basieren
auf einer systematischen Recherche, Auswahl und Bewertung wissenschaftlicher Belege zu den relevanten klinischen Fragestellungen. Dabei sind Vertreter der entsprechenden Fachgesellschaften und Organisationen frühzeitig in die Leitlinienentwicklung eingebunden, sodass die Leitlinien den aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft aufzeigen und zur Beurteilung der medizinischen Notwendigkeit einer Behandlung herangezogen werden können.

Indem die genannte Leitlinie zunächst auf konservative Behandlungsmöglichkeiten des Lipödems abstellt, berücksichtigt sie auch die Schwere des medizinischen Eingriffs, der einer operativen Entfernung des Fettgewebes mittels Absaugung innewohnt.

Ein unabhängiger ärztlicher Sachverständiger kann aber im Rahmen des Ombudsmannverfahrens nicht bestellt werden, führt Lanfermann aus; dies müsse einem Gerichtsverfahren vorbehalten bleiben. Insofern könne sich der Ombudsmann weder über die Einschätzung des Versicherers noch die des behandelnden Arztes hinwegsetzen und die eine oder andere Bewertung als maßgeblich zugrunde legen.

Erscheine die Entscheidung des Versicherers jedoch – wie in dem vorliegenden Fall – nachvollziehbar und vertretbar, sei eine Schlichtung zugunsten des Antragstellers nicht möglich. Der Ombudsmann konnte somit die Vorgehensweise und Entscheidung des Versicherers nicht beanstanden.

https://www.pkv-ombudsmann.de/w/files/pdf/tactigkeitsbericht-2022.pdf

G.-M. Ostendorf, Wiesbaden

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