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Begutachtung nach Schädelhirntrauma

Fries W.
Hippocampus Verlag Bad Honnef,
49,90 EUR, 2020, broschiert, 140 S.,
ISBN 978-3-944551-38-8

Das 2020 erstmals erschienene Buch gliedert sich in drei Hauptteile mit durchaus unterschiedlichem Nutzen für den Leser. So enthält das Kapitel „Schädigungsmechanismen“ eine kenntnisreiche und sehr lesenswerte Darstellung der pathophysiologischen Mechanismen bei Schädelhirntraumen mit auch umfangreicher Zitierung neuerer Literaturstellen. Ebenfalls sehr fundiert findet sich danach im zweiten Kapitel „Schädigungsfolgen“ eine Beschreibung der zahlreich möglichen Funktionsstörungen insbesondere nach schwereren Schädelhirntraumen.

Aus gutachtlicher Sicht zu unkritisch werden dann jedoch die Folgen leichter Schädelhirntraumen abgehandelt, indem bereits initial apodiktisch erklärt wird, neuere wissenschaftliche Untersuchungen hätten nachweisen können, dass es hierdurch „zu funktionellen Einschränkungen kommt“. Verwiesen wird dabei auf verschiedene Studien, die bei detaillierter Durchsicht jedoch ausgeprägt inhomogene Kollektive mit und ohne „Vollbeweis“ einer strukturellen Hirnschädigung – z.B. in Form axonaler Scherverletzungen – umfassen.

Problematisch erscheint auch der für den Gutachter vor allem nach leichten Unfallereignissen entscheidende „Nachweis einer stattgehabten Hirnverletzung“, der überraschenderweise als Unterkapitel bei den „Schädigungsfolgen“ aufgeführt ist. Zwar weist der Autor ausdrücklich darauf hin, dass der objektive Nachweis einer Hirnschädigung von zentraler Bedeutung und im „Vollbeweis“ zu erbringen sei. Sucht man jedoch nach klaren Empfehlungen, wie dieser „Vollbeweis“ zu führen ist, wird man enttäuscht. So finden sich zunächst in recht persönlicher Interpretierung juristische Einlassungen, wobei die erforderlichen Beweismaße in den verschiedenen Rechtsgebieten zum Teil erheblich durcheinandergebracht werden. Auch werden sozial- und zivilrechtliche Urteile gemischt zitiert, ohne dabei die unterschiedlichen Vorgaben näher zu berücksichtigen. Letztlich wird mehrfach darauf verwiesen, dass es nicht zulässig sei, aus unauffälligen Befunden in der Bildgebung die Schlussfolgerung zu ziehen, dass keine Hirnschädigung vorliegt, was sachlich zwar richtig ist, angesichts der meist dem Geschädigten obliegenden Beweislast in der gutachtlichen Situation jedoch nicht weiterhilft.

Gleichermaßen nur eingeschränkt verwertbar erscheint das dritte Kapitel zur „Bewertung von Schädigungsfolgen“. Dieses bezieht sich vor allem auf Fragen der beruflichen Leistungsfähigkeit. Zwar findet sich auch ein kurzer Abschnitt zur gesetzlichen Unfallversicherung, die gutachtlich häufigen Einschätzungsfragen im Bereich der privaten Unfallversicherung und des Haftpflichtrechts sucht man jedoch vergebens.

Zusammenfassend hält der Titel leider nicht, was er verspricht. Zwar findet der Leser viele interessante Informationen zur Pathophysiologie und zu möglichen Folgen von Schädelhirntraumen mit auch umfangreichen Literaturverweisen. Für die gutachtliche Praxis insbesondere bei der Klärung von Kausalitätsfragen hilft das Buch jedoch nicht wirklich ­weiter.

B. Widder, Günzburg