Springe auf Hauptinhalt Springe auf Hauptmenü Springe auf SiteSearch

Privatgutachten müssen vom Gericht gewürdigt werden!

In einem Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Frankfurt am Main vom 29.6.2022 (AZ: 7 U 140/20) zur Frage der medizinischen Notwendigkeit einer Alternativtherapie bei inoperablem Tumor, über welches die Fachzeitschrift „Versicherungsrecht“ berichtet, erklärt das OLG, bei einer (von dem beklagten privaten Krankenversicherer vorgelegten) „privatgutachterlichen Stellungnahme der Ärztin für Allgemeinmedizin A.“ handele es „sich nicht um eine fachärztliche Einschätzung, so dass deren Aussagekraft insgesamt nicht als hoch angesehen werden“ könne.

Diese Argumentation ist jedoch nicht zu akzeptieren:

  • Auch bei Allgemeinmedizin handelt es sich um eine Facharztbezeichnung.
  • Eine Ärztin für Allgemeinmedizin, die im Auftrag einer privaten Krankenversicherung tätig ist, kann durchaus entsprechende Kenntnisse und Erfahrungen haben, um eine Alternativtherapie bei Krebs qualifiziert zu beurteilen.
  • Zudem sind auch Privatgutachten vom Gericht sachlich zu würdigen. So erklärte der Bundesgerichtshof (BGH) mit Beschluss vom 05.11.2019 (AZ: VIII ZR 344/18), dass es an einer tragfähigen Tatsachengrundlage für die Überzeugungsbildung des Gerichts fehlt, wenn das Gericht entscheidungserhebliche Widersprüche zwischen den Schlussfolgerungen eines gerichtlich bestellten Sachverständigen und denjenigen eines Privatgutachters nicht hinreichend aufklärt. Privatgutachten sind, so der BGH, besonders substanziierter, urkundlich belegter Parteivortrag und daher stets zu beachten. Ergeben sich zwischen Feststellungen eines gerichtlich bestellten Sachverständigen und denjenigen eines Privatgutachters Widersprüche, ist das Gericht verpflichtet, diesen nachzugehen.
  • (Versicherungsrecht 73 (2022) 21: 1351-1353)

    G.-M. Ostendorf, Wiesbaden