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Augenbeteiligung bei juveniler idiopathischer Arthritis (JIA) rechtzeitig erkennen und adäquat behandeln

Die juvenile idiopathische Arthritis (JIA) als die häufigste entzündlich-rheumatische Erkrankung bei Kindern und Jugendlichen zieht bei nicht wenigen Betroffenen auch die Augen in Mitleidenschaft: Trotz deutlich verbesserter diagnostischer und therapeutischer Möglichkeiten hat jeder zweite Betroffene mit Langzeitfolgen zu kämpfen. Darauf wiesen Experten anlässlich des Deutschen Rheumatologiekongresses 2022 vom 31. August bis 3. September 2022 hin, der gemeinsamen Tagung der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh), der Deutschen Gesellschaft für Orthopädische Rheumatologie (DGORh) und der Gesellschaft für Kinder- und Jugendrheumatologie (KJR).

Betroffen ist insbesondere die Uvea im vorderen Augenbereich; sie bildet dort die Iris und den ringförmigen Ziliarmuskel. „Eine Entzündung in diesem Bereich (Uveitis) ist gefährlich, weil sie bei den meisten Kindern zunächst weder sicht- noch spürbar ist“, erklärte Kirsten Minden, Kinderrheumatologin an der Universitäts-Kinderklinik der Charité und Kongresspräsidentin der GKJR. Unerkannt und unbehandelt könne sie aber rasch zu schwerwiegenden Komplikationen mit Sehkrafteinbußen bis hin zur Erblindung führen.

Zu einer Beteiligung der Augen am rheumatischen Entzündungsprozess kommt es bei etwa jedem siebten Kind mit JIA; bei der häufigsten JIA-Form, der Oligoarthritis, ist sogar jedes fünfte Kind von einer Uveitis betroffen. Wie gut die Augenentzündung mit heutigen Therapien kontrolliert werden kann, untersuchte eine große Beobachtungsstudie an elf Kinderrheumazentren in Deutschland.

„An der ICON-Studie haben knapp 1000 an JIA erkrankte Kinder über zehn Jahre hinweg teilgenommen“, berichtete Minden. In den ersten fünf Beobachtungsjahren entwickelten 14 Prozent der kleinen Patienten eine Augenentzündung, der in der Regel mit einer intensiven Rheumamedikation begegnet wurde. Damit konnte die Entzündung bei über 90 Prozent der Kinder sehr gut eingedämmt werden: Sie wiesen fünf Jahre nach Erkrankungsbeginn entweder keine oder nur eine sehr geringe Krankheitsaktivität auf. Auch lag bei zwei Dritteln der Kinder die Sehschärfe über 80 Prozent.

„Unerwartet hoch war jedoch die Komplikationsrate“, gab Minden zu bedenken. Denn wie die Studie zeigt, wies jedes vierte von einer Uveitis betroffene Kind bereits beim ersten Augenarztbesuch Komplikationen auf. „Diese Kinder werden demnach zu spät und erst dann vom Augenarzt gesehen, wenn bereits Komplikationen aufgetreten sind.“ Hier müsse mit einem frühzeitigen Uveitis-Screening gegengesteuert werden – idealerweise unmittelbar nach der JIA-Diagnose. Diese Untersuchung müsse in individuell festzulegenden Abständen in den ersten Erkrankungsjahren, aber auch nach einer Reduktion oder dem Absetzen der Rheumamedikation wiederholt werden.

Als alarmierend bewertete Minden auch die weitere Zunahme der Augenkomplikationen im Verlauf der Therapie: Im Beobachtungszeitraum von 5 Jahren wies fast jedes zweite Kind Komplikationen wie entzündungsbedingte Verklebungen von Iris und Linse, einen grauen Star oder einen erhöhten Augeninnendruck bis hin zum grünen Star auf. „Diese können als Folge der Entzündung, aber auch als Folge einer langfristigen Glukokortikoid-Gabe auftreten“, erläuterte die Kinderrheumatologin.

Daher gelte es, die langfristige Behandlung mit Glukokortikoid-haltigen Augentropfen kritisch zu hinterfragen, die bei vielen der kleinen Patienten trotz guter Uveitiskontrolle fortgeführt werde. Obwohl in der ICON-Studie 85 Prozent der Kinder nach 5 Jahren eine komplett inaktive Uveitis hatten, wurden über 40 Prozent noch immer mit lokalen Glukokortikoiden behandelt, die ein Risiko für grauen und grünen Star bergen.

Der Einsatz von Glukokortikoiden ist in der Rheumabehandlung unverzichtbar, um eine überschießende Entzündungsaktivität rasch zu dämpfen und schwerwiegende Folgeschäden zu verhindern. „Aufgrund des großen Spektrums an unerwünschten Wirkungen sollten Glukokortikoide jedoch so niedrig dosiert und so kurz wie möglich eingesetzt werden“, ergänzte Andreas Krause, Chefarzt am Immanuel Krankenhaus Berlin und Kongresspräsident der DGRh. Dass dieser Grundsatz nicht nur in der Erwachsenen-, sondern viel mehr noch in der Kinder­rheumatologie gelte, belegen die Ergebnisse der ICON-Studie eindrücklich.

Anmerkung

Aus gutachtlicher Sicht ist anzumerken, dass ggf. persistierende Augenerkrankungen bzw. eine Sehschwäche als Folgen einer nicht rechtzeitig erkannten Augenbeteiligung bei juveniler idiopathischer Arthritis im Rahmen eines Behandlungsfehler-Prozesses unter dem Vorwurf eines Befunderhebungsfehlers zu beurteilen sind.

G.-M. Ostendorf, Wiesbaden