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Zum Beitrag von Müller Th, in MedSach 1/2020: Seltener Begutachtungsfall – die Kielbrust. MedSach 116 (2020), 1: 50–53

Auch der Unterzeichner ist in seiner mehr als 35jährigen Tätigkeit als medizinischer Sachverständiger bislang lediglich in einem einzigen Fall tätig geworden, wie dem hier vorliegenden. Es handelt sich dabei demnach offenbar, und hier ist Prof. Müller zuzustimmen, bei dem in Rede stehenden Sachverhalt tatsächlich um ein seltenes Geschehen. Die Aufgabe eines Orthopäden oder Chirurgen – des Unterzeichners bzw. des Autors jener Kasuistik also – besteht freilich ausschließlich darin, funktionelle Beeinträchtigungen und/oder Schmerzen zu bewerten, die demzufolge von einer/einem Betroffenen geltend gemacht werden.

Dabei bedeutet der Umstand, dass sich eine Kielbrust im ICD-10 verschlüsseln lässt (Q76.7) – anders als der Autor dies darstellt – keineswegs automatisch, dass jene auch zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zu behandeln wäre. Krankheitswert erlangt eine ICD-10-Diagnose vielmehr grundsätzlich nur dann, wenn sie zu einer körperlichen oder psychischen Beeinträchtigung führt. Im ICD-10 werden schließlich beispielsweise auch „Kontaktanlässe mit Bezug auf das Wohnumfeld oder die wirtschaftliche Lage“ mit Z59 codiert – ohne dass Derartiges in den Zuständigkeitsbereich der GKV fiele.

„Klinisch verursacht die Kielbrust kaum Beschwerden sowie niemals Schmerzen.“ – berichtet Graßhoff [1] in einem orthopädischen Standardwerk. Rückenschmerzen, wie der Autor sie wiedergibt, werden von einer Kielbrust weder verursacht noch sind sie durch deren Behandlung zu beeinflussen. Eine funktionelle Beeinträchtigung begründet die von Prof. Müller beschriebene Thoraxwanddeformität, dessen eigenen Angaben zufolge, ebenfalls nicht. In diesem Zusammenhang seien beispielgebend die Untersuchungen von Haller und Kollegen genannt [2].

In dem vorgestellten Fall ging es demnach ausschließlich um die Bewertung einer psychischen Beeinträchtigung des Betroffenen. Einem Chirurgen oder Orthopäden ohne eine einschlägige (Zusatz-) Qualifikation steht eine solche Einschätzung freilich in keiner Weise zu. Ob es sich vorliegend also, wie Prof. Müller abschließend mitteilt, tatsächlich um eine „krankheitswertige Entstellung“ handelte, wäre allenfalls von einem Fachmann/einer Fachfrau für seelische Gesundheit belastbar und seriös festzustellen gewesen.

Literatur

1 Graßhoff H: Erkrankungen und Deformitäten des Thorax. In: Wirth, C.J. et al. (Hrsg.): Orthopädie und Orthopädische Chirurgie: Wirbelsäule, Thorax. Stuttgart: Thieme Verlag, 2004

2 Haller JA, Kramer SS, Lietman SA: Use of CT scans in selection of patients for pectus excavatum surgery: a preliminary report. Journal of Pediatric Surgery (1987), 22 (10): 904–906

Anschrift des Verfassers

Dr. med. Jürgen Hettfleisch
Darmstädter Str. 29
64331 Weiterstadt

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