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Spagyrik nach Zimpel – alchemistischen Vorstellungen im modernen Gewand

Spagyrischen Essenzen, insbesondere die Spagyrik nach Zimpel, als vermeintlich „neueste Therapieansätze für die sensiblen Themen unserer Zeit“ propagierte ­Balmahnaden Gopalsamy Naidu auf der Paracelsus Messe vom 7. bis 9. Februar 2020 in Wiesbaden. Angeblich „vereint die Spagyrik die Potentiale der Phytotherapie, der Homöopathie, der Bachblüten, der Schüsslersalze und der Oligotherapie in einer ganzheitlichen Medizin“, so der Diplom-Chemiker und Geschäftsführer der Phylak Sachsen® GmbH, der sich selbst als „passionierter Spagyriker“ bezeichnet.

Für den Gutachter in der Krankenversicherung oder der Beihilfe, der beurteilen soll, ob eine Behandlung mit solchen Präparaten als medizinisch notwendig anzusehen ist, dürften folgende Anmerkungen hilfreich sein:

Der Begriff „Spagyrik“ setzt sich aus den beiden griechischen Wörtern „spáein“ (trennen) und „ágeirein“ (verbinden) zusammen. Grundlage der Spagyrik, die v. a. von Paracelsus (1493 – 1541) als Heilverfahren entwickelt worden war, bilden spätmittelalterliche, alchemistische Vorstellungen. Nach einem besonderen Konzept der Arzneimittelherstellung soll in einem fortlaufenden Rhythmus das „Gute“ vom „Schlechten“ getrennt und weiter ausschließlich das „Gute“ wieder miteinander verbunden werden, wodurch sich die Qualität angeblich erhöht. Das Heilverfahren ist nicht klar beschrieben und gliedert sich zudem in verschiedene Systeme.

Die von Naidu propagierte Spagyrik nach Zimpel wurde von dem schlesische Eisenbahningenieur Dr. Carl-Friedrich Zimpel (1801 – 1879), der nie Medizin studiert hatte, ab 1868 entwickelte. Zimpel verwendete neben den „spagyrischen Pflanzenmitteln“ auch die sogenannten „Elektrizitätsmittel“ und weitere, nicht ausschließlich spagyrisch hergestellte Mittel („Arcana“). Er hielt die Destillation für einen wesentlichen Herstellungsschritt und war der Überzeugung, durch ausdauernde Destillationsvorgänge die arzneiliche Wirkung seiner Mittel besonders zu verstärken.

Die heute mit dem Namen Zimpels bezeichneten Spagyrika enthalten jedoch keine der ursprünglichen Wirkstoffe mehr: In ihnen sind nur die wasserdampfflüchtigen Stoffe des vergorenen Ansatzes und die löslichen Mineralsalze der Asche des Pressrückstands enthalten.

Spagyrische Arzneimittel nach Zimpel werden nach den Methoden 25 und 26 des offiziellen Homöopathischen Arzneibuches (HAB) hergestellt und gelten daher rechtlich als homöopathische Arzneimittel, obwohl sie nicht dem Simile-Prinzip Hahnemanns entsprechen. Ihr Inverkehrbringen bedarf der behördlichen Genehmigung (Registrierung).

Dieses Registrierungsverfahren erfordert jedoch keinen Wirksamkeitsnachweis. Eine medizinisch-pharmakologische Wirkung solcher Präparate nach Zimpel konnte nie wissenschaftlich nachgewiesen werden; eine therapeutische Wirksamkeit spagyrischer Medikamente ist für kein Anwendungsgebiet belegt.

G.-M. Ostendorf, Wiesbaden