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Problematik medizinischer Leitlinien

Leitlinien sollten anhand der neuesten wissenschaftlichen Daten einen Rahmen für Diagnostik und Therapie von Erkrankungen geben. Sie sollen außerdem nachvollziehbar sein – nicht nur für universitäre Arbeitsgruppen, sondern auch für niedergelassene Ärzte – und Behandlungsabläufe nicht unnötig erschweren.

Da sich das Rad der Wissenschaft aber schnell dreht und an Geschwindigkeit eher zu- als abnimmt, müssen Leitlinien regelmäßig angepasst und überarbeitet werden. Das gilt insbesondere für die Neuroimmunologie, die sich besonders schnell entwickelt.

Hier sind die MS-Leitlinien ein ausgesprochen schlechtes Vorbild, nachdem die Aktualisierung über 8 Jahre dauerte. Als die S2-Leitlinien 2021 schließlich veröffentlicht wurden, waren sie bereits wieder veraltet und enthielten mehrere Substanzen nicht, die gerade zugelassen worden waren, kritisierte Limmroth.

Bei aller Freude über viel Harmonie zwischen verschiedenen Fachgruppen müsse man auch ernsthaft fragen, wie sinnvoll es für die klinisch tätigen Neurologen sei, auf S2-Leitlinien zu warten, die mühsam mit Fachgruppenwie Gynäkologen, Physio- und Manualtherapeuten u. a. abgestimmt werden müssen.

Zusammengefasst seien die vorgestellten S2-Leitlinien kein großer Wurf gewesen, sondern engten die therapeutische Freiheit des Neurologen ein und erforderten einen erhöhten Dokumentationsaufwand, wenn von ihnen abgewichen werde. Hier wäre weniger, das schneller käme, deutlich mehr für die klinischen Kollegen.

Die Wiederbelebung der Multiple Sklerose Therapie Konsensus Gruppe (MSTKG) sowie deren „White Paper“ von 2021 sei daher sinnvoll und erfrischend gewesen, konstatierte Limmroth. Ein formaler Konsens zu beiden Leitlinien-Varianten habe auch 2022 nicht gefunden werden können, so dass weiterhin die interessante und relativ einzigartige Situation von zwei einander widersprechenden Leitlinien vorerst bestehen bleibe.

Hemmer, B. et al. (2021). Diagnose und Therapie der Multiplen Sklerose, Neuromyelitis-optica-Spektrum-Erkrankungen und MOG-IgG-assoziierten Erkrankungen, S2k-Leitlinie. In: Deutsche Gesellschaft für Neurologie (Hrsg.), Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie. Online: www.dgn.org/leitlinien; AWMF-Registernummer: 030/050.

G.-M. Ostendorf, Wiesbaden