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Genitalverletzungen sind problematisch – bei Männern und bei Frauen

Genitalverletzungen bei Männern oft verschwiegen

Genitaltverletzungen bei Männern sind selten, haben aber ein großes Schadenspotential, weil auch vielfach das Selbstwertgefühl des Patienten eine ganz entscheidende Rolle spielt, erklärte Armin Pycha von der Urologischen Abteilung am Zentralkrankenhaus Bozen (Italien) auf dem 14. Urologie-Update-Seminar am 5. und 6. März 2021 (Livestream-Veranstaltung).

Steht oft am Beginn die Scham, weil ein Unfall bei einer sexuellen Handlung erfolgte, so liegt am Ende der Strecke nicht selten eine tatsächliche Einschränkung von Fertilität oder Erektionsvermögen.

Die Diagnose ist klinisch zu stellen und kann durch Bildgebung untermauert werden. Es zahlt sich jedoch aus, beim kleinsten Verdacht die Initiative zu ergreifen, so Pycha. Es sei besser, ein Skrotum zehnmal zu oft zu explorieren als einmal zu wenig: Die frühe Exploration könne 90 % aller Hoden retten.

Wie bei jeder Traumatologie folgt die Versorgung nicht strikten Regeln, sondern erfordert ein hohes Maß an Improvisation und technischem Können. Bei Mitbeteiligung der Harnröhre folgt die Therapie den Prinzipien der Urethrachirurgie. Lediglich beim Hodentrauma hat sich in den letzten Jahren die Tendenz etabliert, Substanzdefekte mit einem Tunica-vaginalis-Lappen zu decken.

Genitalverletzungen bei Frauen: Hinweise auf sexuelle Gewalt nicht übersehen!

Bei Frauen sind Genitaltraumen noch seltener als bei Männern. Wenn sie aber in Zusammenhang mit Polytraumen auftreten, sind sie ein Indikator für schwere bis lebensbedrohliche Verletzungen.

Ca. 90 % aller weiblichen Genitalverletzungen ereignen sich im Kindesalter oder Adoleszenz. Die überwiegende Mehrzahl dieser Fälle kann konservativ behandelt werden.

Jede weibliche Genitalverletzung, die nicht eindeutig einem Unfallhergang zuzuordnen ist, sollte jedoch zu einer kritischen Prüfung anregen, ob nicht ein Fall sexueller Gewalt vorliegt, forderte Pycha. Auch weil die meisten durch sexuelle Gewalt entstehenden Verletzungen im Genitalbereich keine größeren chirurgischen Eingriffe benötigen, können die Hinweise darauf sehr diskret sein und können den Arzt verleiten, nicht näher hinzuschauen. Hier seien Empathie, Fingerspitzengefühl und Professionalität unbedingt notwendig.

Die Zusammenarbeit über den ärztlichen Berufsstand hinaus unter Einbezug der Exekutive sei unbedingt erforderlich. Der behandelnde Arzt sollte es dem Opfer nicht noch schwerer machen, als es ohnehin ist. Nur jede dritte bis fünfte Frau suche nach einer Vergewaltigung um Hilfe an. Möge die äußere Wunde gering sein – die innere wirke oft ein Leben lang nach und stelle auf jeden Fall eine Zäsur für die Frau dar, gab Pycha zu bedenken.

G.-M. Ostendorf, Wiesbaden