Mit den Fragen, welche Anforderungen an den Disponenten einer Rettungsleistelle zu stellen sind und ob dieser bei einer gravierenden Schwangerschaftskomplikation unverzüglich die Entsendung eines Notarztes hätte veranlassen müssen, befasste sich der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 15.5.2025 (AZ: VI ZR 417/23), über welches die Fachzeitschrift „Versicherungsrecht“ berichtet.
So handelt es sich bei der Beurteilung, ob unter Berücksichtigung des Indikationskatalogs der Bundesärztekammer für Disponenten in Notdienstzentralen und Rettungsleitstellen für den Notarzteinsatz (Deutsches Ärzteblatt vom 15. März 2013, S. A 521) im Streitfall der Einsatz eines Notarztes indiziert war, um eine Frage, die medizinisches Fachwissen im Bereich des Rettungsdienstes voraussetzt, erklärte der BGH.
Der Indikationskatalog stellt unter Bezug auf den (im Notruf mitgeteilten) Patientenzustand und Notfall-bezogen allgemeine – medizinische – Kriterien für die Notwendigkeit einer notärztlichen Versorgung auf. Er bedient sich dabei einer Vielzahl medizinischer Fachbegriffe sowie der Beschreibung von Zuständen, deren Feststellung in der Notrufsituation sowohl medizinische Kenntnisse als auch Kenntnisse im Rettungsdienst erfordern. Eine gerichtliche Überprüfung der pflichtgemäßen Anwendung des Indikationskatalogs ist daher im Grundsatz nicht ohne entsprechendes Fachwissen möglich.
Dies folgt überdies daraus, dass sich die Handreichung an im Rettungsdienst besonders geschulte Fachleute richtet. Nach den landesrechtlichen Vorschriften sind die Rettungsleitstellen mit Personen zu besetzen, die über eine besondere Qualifikation im Rettungsdienst verfügen.
Nachdem die Beurteilung der Frage der Indikation eines Notarzteinsatzes demzufolge Fachwissen voraussetzt, hätte das vorher zuständige Berufungsgericht insoweit nur von der Einholung eines Sachverständigengutachtens absehen dürfen, wenn es entsprechende eigene besondere Sachkunde auszuweisen vermocht hätte. Eine eigene medizinische Sachkunde im Bereich des Rettungsdienstes hatte das Berufungsgericht in seinem Urteil jedoch nicht dargelegt.
Versicherungsrecht, 76. Jg., Heft 16 vom 15. August 2025, S. 992-997
G.-M. Ostendorf, Wiesbaden