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Einsatz des Femtosekundenlasers i. R. einer Katarakt-Operation nicht analog berechenbar

Zu den Aufgaben des medizinischen Sachverständigen

Aufgabe des medizinischen (Gerichts-)Sachverständigen ist es, medizinische Befunde zu erheben und diese – auf der Basis medizinisch-wissenschaftlicher Erkenntnisse und ärztlichen Erfahrungswissens – zu bewerten, um dem Gericht eine Entscheidung der rechtlich erheblichen Fragen zu ermöglichen. Nicht zu seiner Aufgabe gehören dagegen rechtliche (juristischen) Bewertungen; hierzu ist er nicht berufen.

Diese (eigentlich selbstverständliche) Feststellung ergibt sich aktuell aus zwei Gerichtsentscheidungen, über welche die Fachzeitschrift „Versicherungsrecht“ berichtet, zu einer seit Jahren kontrovers diskutierten Frage: Kann bei der privatärztlichen Abrechnung einer augenärztlichen Kataraktoperation gemäß der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) zusätzlich zur GOÄ-Nr. 1375 (extrakapsuläre Operation des Grauen Stars …) der Einsatz des Femtosekundenlasers analog der GOÄ-Nr. 5855 (intraoperative Strahlenbehandlung mit Elektronen) als selbständige Leistung gesondert berechnet werden? Zu dieser Thematik gab es in der Vergangenheit widersprüchliche Urteile.

Hierzu erklärt nun das Oberlandesgericht (OLG) Naumburg mit Urteil vom 9.5.2019 (AZ: 4 U 28/19), dass der Einsatz des Femtosekundenlasers im Rahmen einer Kataraktoperation als sogenannte unselbständige Teilleistung der Zielleistung „Kataraktoperation“ anzusehen ist, wenn dafür keine eigenständige Indikation vorliegt.

Nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen bestand im zu beurteilenden Fall der Vorteil des Femtosekundenlasers in der Schonung des das unmittelbare Operationsgebiet umgebenden Gewebes. Dies reicht jedoch für die Berechtigung zur Abrechnung einer Leistung nicht aus, wie bereits der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden hat, so das OLG. Somit ist die analoge Abrechnung der GOÄ-Nr. 5855 (einschl. der Materialkosten) nicht zulässig.

Allerdings kann der Einsatz des Lasers nach der – deutlich niedriger bewerteten – GOÄ-Nr. 441 (Zuschlag für die Anwendung eines Lasers bei ambulanten operativen Leistungen) berechnet werden.

Zu vorherigen Gerichtsentscheidungen, bei denen – nach Einholung eines Sachverständigengutachtens – der analoge Ansatz der GOÄ-Nr. 5855 als korrekt angesehen worden war, führen die Naumburger Richter kritisch aus, dass in diesen Entscheidungen regelmäßig darauf abgestellt worden sei, dass der Einsatz der computergestützten Lasertechnik
bei der Kataraktoperation zu einer Erhöhung der Operationssicherheit führe, die Kataraktoperation also optimiert werde. Das führe indes nicht zu der Annahme, es liege eine selbständige und damit gesondert abrechnungsfähige ärztliche Leistung vor.

Zum gleichen Ergebnis kommt das Landgericht (LG) Frankfurt/Main im Urteil vom 31.5.2019 (AZ: 1–14 S 3/18). Auch dieses erklärt unter Verweisung auf den BGH, dass die Schonung benachbarter Strukturen keine selbständige Leistung begründet. Entscheidend ist jedoch, so das LG weiter, dass die weitere Voraussetzung einer Analogie nach § 6 Abs. 2 GOÄ – eine nach Art, Kosten und Zeitaufwand gleichwertige Leistung – nicht erfüllt ist.

Bei analoger Abrechnung der GOÄ-Nr. 5855 würde die Laser(vor)behandlung mit einer Punktzahl von 6.900 bewertet, während die gesamte Katarakt-Operation nach der GOÄ-Nr. 1375 mit nur 3.500 Punkten bewertet wird. Allein dieses Missverhältnis spricht gegen eine Analogie, so das LG: Es widerspräche dem der GOÄ immanenten System der Vergütungshöhe, eine unstreitig als Vorbereitung durchgeführte Leistung mit einer fast doppelt so hohen Punktzahl zu bewerten wie die komplette eigentliche Kataraktoperation.

Somit liegen die Voraussetzungen einer Analogie nach § 6 Abs. 2 GOÄ bereits aus rechtlichen, von medizinischen Feststellungen unabhängigen (!) Erwägungen nicht vor. Selbst bei Bejahung einer selbständigen Leistung durch einen (nicht vom Gericht bestellten) medizinischen Sachverständigen bleibt die Abrechenbarkeit der GOÄ-Nr. 5855 eine Rechtsfrage, die unter Berücksichtigung u. a. des Zielleistungsprinzips und unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BGH zu beantworten ist und die vom (vorher zuständigen) Amtsgericht zutreffend verneint wurde, führt das LG aus.

(Versicherungsrecht 70 (2019) 21: 1348–1350 und 1350–1351)

G.-M. Ostendorf, Wiesbaden

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