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Th. Merten, H.-U. Puhlmann

Begutachtung des leichten Schädelhirntraumas

Zusammenfassung

Unter den Schädelhirntraumen (SHT) stellen sich die leichtgradigen häufig als gutachtlich schwieriger zu beurteilen dar, als dies für mittelschwere und schwere SHT der Fall ist. Bereits die Diagnosestellung, die häufig auf veralteten Klassifikationssystemen beruht, ist mit Schwierigkeiten verbunden; nicht jedes diagnostizierte SHT kann bei kritischer Überprüfung bestätigt werden. In der gutachtlichen Arbeit stellen sich dem Sachverständigen hohe Anforderungen an die Diagnosesicherheit (Vollbeweis des Erstschadens), den Nachweis des Vorhandenseins geltend gemachter Folgeschäden sowie deren kausaler Verknüpfung mit dem Unfallerstschaden. Eine eingehende und explizit dargestellte Plausibilitäts- und Konsistenzprüfung der Informationsbasis, die dem Gutachter zur Verfügung steht, ist unabdingbar; der Gutachter muss mit dem aktuellen Wissensstand zum leichten SHT, den Diagnosekriterien, Verletzungsmechanismen, der typischen Entwicklung nach einer solchen Verletzung vertraut sein und dies im Gutachten erkennen lassen. Gutachtlich relevant stellt sich auch die Beurteilung kognitiver Störungen als geltend gemachte mittel- oder langfristige Folge eines leichten SHT dar, für die eine enge Zusammenarbeit zwischen Neurologen und Neuropsychologen erforderlich ist. Beide sollten über ein hohes Niveau spezifischer Fachkompetenz (für diese spezielle Fragestellung) verfügen.

Schlüsselwörter Schädelhirntrauma – leichtes Schädelhirntrauma – Neuropsycholo­gische Diagnostik – Begutachtung – Hirnschadensfolgen

MedSach 116 6/2020: 266–276

Expert assessment of mild traumatic brain injury

Abstract

Independent examinations of patients with sequelae of mild traumatic brain injury (TBI) are often more difficult and complex than those of moderate and severe brain injury. Even diagnosis, which is often based on obsolete classification systems, is fraught with difficulty; not every diagnosed TBI can be confirmed in a critical review. In clinical practice the expert is confronted with high demands on diagnostic certainty (complete proof of the initial damage), evidence of the existence of the claimed symptoms, and the establishment of a causal link between them and a previously suffered head injury. A detailed and explicit plausibility and consistency test of the basis of information that is available to the expert is vital; the expert must be familiar with the current knowledge of mild TBI, the diagnostic criteria, injury mechanisms and the typical course following such an injury, and demonstrate this familiarity in the report. The assessment of cognitive disorders as claimed medium or long-term consequences of mild TBI is also relevant for an expert report and requires close collaboration between neurological and neuropsychological experts. Both should have a high level of competence in their respective fields of expertise.

Keywords traumatic brain injury – mild traumatic brain injury – neuropsychological diagnosis – forensic assessment – post-concussion syndrome

Anschrift für die Verfasser

Dr. phil. Thomas Merten
Vivantes Netzwerk für Gesundheit,
Klinikum im Friedrichshain Klinik für Neurologie
Landsberger Allee 49
10249 Berlin