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Das AMDP-System. Neue Auflage von Manual, Interviewleitfaden und Praxisbuch

Arbeitsgemeinschaft für Methodik und Dokumentation (Hrsg.) (2023) Manual zur Dokumentation des psychischen Befundes in Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik. 11., vollständig überarbeitete Auflage 2023, ISBN 978-3-8017-3157-1, Hogrefe Verlag Göttingen

Fähndrich, Erdmann; Stieglitz, Rolf-Dieter (2023) Leitfaden zur Erfassung des psychopathologischen Befundes. Halbstrukturiertes Interview anhand des AMDP-Systems. 6., überarbeitete Auflage 2023, ISBN 978-3-8017-3114-4, Hogrefe Verlag, Göttingen

Stieglitz, Rolf-Dieter; Haug, Achim; Kis, Bernhard; Silke, Kleinschmidt, Thiel, Andreas (Hrsg.) (2023) Praxisbuch AMDP. Psychopathologische Befunderhebung – Grundlagen und Anwendungsbeispiele. 2., aktualisierte und erweiterte Auflage 2023, ISBN 978-3-8017-3160-1, Hogrefe Verlag Göttingen

Das AMDP-System deckt die ganze Breite der Psychopathologie ab. Es besitzt aufgrund operationalisierter (definierter) psychopathologischer Begriffe und eines halbstrukturierten Interviews eine hohe Reliabilität (Zuverlässigkeit). Neben der klinischen Anwendung ist es deshalb auch für den Einsatz in Forschung und Begutachtung geeignet.

Das AMDP-System hat eine mehr als 50-jährige Geschichte; gemäss Praxisbuch wurde es ursprünglich vor über 50 Jahren für die Forschung entwickelt, „um die „Effekte der neu entdeckten Psychopharmaka“ zu erfassen. Heute ist es zur Erhebung aktueller reliabler klinische Befunde wie auch für Verlaufsuntersuchungen sehr gut geeignet und aus dem klinischen Alltag wie aus der psychiatrischen Begutachtung nicht mehr wegzudenken.

AMDP ist in mehrere Sprachen übersetzt (Englisch, Französisch, Italienisch, Portugiesisch), wobei die aktuelle Neuauflage erst auf Deutsch erhältlich ist.

Für die 11. Neuauflage wurden im Manual Beschreibung, Definition der Kern- und Zusatzsymptome überarbeitet; sehr zu begrüssen ist, dass nun durchgängig Beispiele für den jeweiligen psychopathologischen Befund aufgeführt sind. Die Beispiele sind sehr anschaulich, hilfreich und man merkt die breite klinische Erfahrung der Autoren. Zu erwähnen ist auch die Vereinheitlichung der Graduierungen der Merkmale. Diese erfolgten Anpassungen sind hilfreich und geeignet, die Reliabilität (Zuverlässigkeit) der Befunderhebung weiter zu verbessern. Die jeweiligen Merkmale sind hierbei unverändert geblieben – aus gutem Grunde: sie sind weitherum etabliert; allfällige Änderungen sind unnötig und würden die Vergleichbarkeit mit früher dokumentierten Befunden erschweren.

Der Interviewleitfaden wurde ebenfalls überarbeitet und erscheint zeitgleich mit dem Manual in 6. Auflage. Für eine reliable Befunderhebung ist dessen Anwendung essenziell. Gemäss Vorwort lag der Schwerpunkt der Veränderungen auf der Differenzierung von „S-Symptomen“ (Symptome, die auf Selbstaussagen basieren) und „F-Symptomen“ (Symptome, die auf Fremdbeurteilungen basieren); dieser Aspekt ist für eine objektive Befunderhebung im Rahmen von Begutachtungen wichtig; auf die Befunderhebung hat nach der ICF-Logik der WHO (International Classification of Functioning, Disability and Health, ICF) die Ableitung von objektivierbaren Funktionseinschränkungen und damit von Teilhabestörungen zu erfolgen, worauf das „Mini-ICF-APP“ (Linden, Michael et al. 2015) hinweist. Die Bedeutung dieser Systematik wird in der Neuauflage von AMDP zusätzlich unterstrichen, indem im Anhang des Manuals zur Dokumentation des psychischen Befundes nun in der 11.Auflage (wie auch im Praxisbuch) ein Bezug zu ICF (International Classification of Functioning) hergestellt wird – quasi das „missing link“ zwischen psychopathologischem Befund und Funktionsbeeinträchtigung.

Das ebenfalls grundlegend überarbeitete Praxisbuch in 2. Auflage liefert wichtige Hintergrundinformationen; in der aktuellen Auflage finden sich 6 neue Kapitel (Psychotherapie, Psychosomatik, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Alterspsychiatrie, Minderbegabung und Migration). Im Kapitel Migration wird darauf verwiesen, dass das AMDP-System zwar in 8 Sprachen übersetzt worden sei, es aber nicht für alle diese aufgeführten Sprachen entsprechende Manuale gebe. Das Kapitel zur Migration stellt Grundlagen für die migrationsspezifische Befunderhebung im interkulturellen Kontext dar, welche für die klinische wie für die gutachtliche Praxis von hoher Relevanz sind. Hinzuweisen ist auch auf ein Kapitel zur Bedeutung von AMDP im Rahmen der Begutachtung; gerade hier sind ja Instrumente, welche uns die Erhebung reliabler psychopathologischer Befunde ermöglichen, gefragt. In der Versicherungspsychiatrie ist es wichtig, dass eine transparente Dokumentation der erhobenen Befunde erfolgt, einschliesslich deren jeweiligen Quellen in Bezug auf Selbstaussagen und/oder Fremdbeurteilungen.

Zusammenfassend gewährleisten das AMDP-System und die Ergänzungsbände seit Jahrzehnten eine zuverlässige Erhebung und Dokumentation der Psychopathologie für Klinik, Forschung und Begutachtung. Sie entbinden die Fachpersonen aber nicht vor zusätzlichen Plausibilisierungsschritten zur Erfassung authentischer Symptome im Rahmen der Beschwerdenvalidierung; die Kenntnis der Psychopathologie stellt jedoch eine unabdingbare Grundlage hierfür dar.

G. Ebner, Zürich

Dr. med. G. Ebner M.H.A. (Univ. Bern)
Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie (CH), Mitglied FMH
Zertifizierter medizinischer Gutachter SIM
Präsident Swiss Insurance Medicine SIM
Vorstandsmitglied Schweizerische Gesellschaft für Versicherungspsychiatrie SGVP