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Zur Informationspflicht über Behandlungskosten bei nicht allgemein anerkannter Behandlungsmethode

Ein Arzt, der eine neue, noch nicht allgemein anerkannte Behandlungsmethode (hier: Krampfaderbehandlung mit dem „VenaSeal closure System“) anwendet, muss die Möglichkeit in den Blick nehmen, dass der private Krankenversicherer die dafür erforderliche Kosten nicht in vollem Umfang erstattet, erklärte der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 28.1.2020 (AZ: VI ZR 92/19), über welches die Fachzeitschrift „Versicherungsrecht“ berichtet.

So soll die in § 630c Abs. 3 S. 1 BGB kodifizierte Pflicht des Behandlers zur wirtschaftlichen Information des Patienten diesen vor finanziellen Überraschungen schützen und ihn in die Lage versetzen, die wirtschaftliche Tragweite seiner Entscheidung zu überschauen. Sie zielt allerdings nicht auf eine umfassende Aufklärung de Patienten über die wirtschaftlichen Folgen einer Behandlung.

Die Beweislast dafür, dass sich der Patient bei ordnungsgemäßer Aufklärung über die voraussichtlichen Behandlungskosten gegen die in Rede stehende medizinische Behandlung entschieden hätte, trägt nach allgemeinen Grundsätzen der Patient. Eine Beweislastumkehr erfolgt nicht, betonte der BGH.

Im hier zu entscheidenden Fall hatte zuvor der private Krankenversicherer der Klägerin eine Erstattung der Kosten für die Krampfaderbehandlung mit dem „VenaSeal closure System“ abgelehnt. Eine Klage der Versicherten gegen diese Entscheidung war mit rechtskräftigem Urteil vom 20.1.2017 vom Amtsgericht abgelehnt worden mit der Begründung, diese Behandlung sei zum Behandlungszeitraum von der Schulmedizin nicht überwiegend anerkannt gewesen und habe sich auch nicht in der Praxis als ebenso erfolgversprechend bewährt wie das Venenstripping oder das Venenlasern (als schulmedizinische Methoden).

Das Amtsgericht hatte danach der Klage auf (Rück-)Zahlung der Behandlungskosten stattgegeben; die Berufung des Beklagten (d. h. des Chirurgen) dagegen hatte keinen Erfolg gehabt. Dessen Revision führte nun zur Aufhebung dieses Urteils durch den BGH und Zurückverweisung, da das Berufungsgericht dem Beklagten fehlerhaft die Beweislast auferlegt hatte:

„Zu Unrecht hat das Berufungsgericht … den Beklagten als beweispflichtig dafür angesehen, dass die unterlassene Information für die Entscheidung der Patientin irrelevant war, dass sich die Patientin also auch bei ordnungsgemäßer Information nicht für eine der allgemein anerkannten Methoden zur Behandlung ihrer Krampfadern (Venenstripping, Venenlasern) entschieden, sondern dem `VenaSeal closure System´ den Vorzug gegeben hätte“, kritisierten die Karlsruher Richter.

Sie verwiesen darauf, dass bei der privaten Krankenversicherung die Kenntnis des Versicherungsschutzes grundsätzlich im Verantwortungsbereich des Versicherten liegt. Entscheidend sind die Bedingungen des konkreten Versicherungsvertrags und die Regulierungspraxis des jeweiligen Versicherers, bei dem der Versicherte vorab eine Erstattungszusage einholen kann. Gleiches gilt, soweit die Kosten von der Beihilfe getragen ­werden.

Der Arzt ist zudem nicht – wie etwa ein Versicherungsmakler – Sachverwalter der wirtschaftlichen Interessen des Patienten; er ist insbesondere nicht dazu verpflichtet, diesen umfassend wirtschaftlich zu beraten. Ihn trifft die Pflicht zur wirtschaftlichen Information des Patienten nur als vertragliche Nebenpflicht, so der BGH.

(Versicherungsrecht 71 (2020) 10: 622–626)

G.-M. Ostendorf, Wiesbaden