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Dringende Diagnostik bei bedrohlichen Erkrankungen

17. Allgemeinmedizin-Update-Seminar am 12./13.5.2023

Gerade bei bedrohlichen Erkrankungen ist eine schnelle und gezielte Diagnostik oft entscheidend, um eine suffiziente Therapie einzuleiten und drohende Schäden zu vermeiden. Dabei sind immer mehr moderne apparative Untersuchungsmethoden indiziert. Diese gerade auch aus gutachtlicher Sicht (im Arzthaftpflichtprozess) relevante Thematik wurde auf dem 17. Allgemeinmedizin-Update-Seminar am 12. und 13. Mai 2023 in Hamburg von Referenten verschiedener Fachgebiete angesprochen.

Bei Verdacht auf Hodentorsion schnell handeln

So erklärte Fred Zepp, ehemaliger Direktor des Zentrums für Kinder- und Jugendmedizin der Universität Mainz, dass bei Verdacht auf eine Hodentorsion eine unverzügliche Diagnostik und ggf. nachfolgende Therapie entscheidend sind. Neben einer typischen Anamnese kann bei der körperlichen Untersuchung ein Höherstehen des betroffenen Hodens sowie ein ausbleibender Kremasterreflex im Vergleich zur Gegenseite auf eine Torsion hinweisen. Es müssen Lage, Größe, Konsistenz und Mobilität von Hoden und Nebenhoden untersucht werden.

Auch wenn die Hodentorsion primär eine klinische Diagnose ist, sollte bei dringendem Verdacht eine Sonographie des Hodens erfolgen. Sie ist schnell durchzuführen und hat bei niedriger Sensitivität (63–100 %, da sie von der Erfahrung des Untersuchers abhängt) eine hohe Spezifität (97–100 %). Sie sollte obligat im Seitenvergleich, im B-Mode und farbkodiert durchgeführt werden.

Wegweisend ist die farbkodierte Dopplersonografie der arteriellen und venösen testikulären Flusssignale im Seitenvergleich, mittels derer eine intratestikuläre Minderperfusion des betroffenen Hodens festgestellt werden kann. Aber auch der Nachweis eines noch durchbluteten Hodens schließt eine Torsion nicht zuverlässig aus. In uneindeutigen Fällen sollte daher die operative Freilegung des Hodens angestrebt werden.

Die operative skrotale Freilegung mit Detorquierung und Orchidopexie des Hodens ist die Therapie der Wahl bei einer Hodentorsion. Sie sollte so früh wie möglich innerhalb der ersten 4 bis 6 Stunden nach Symptombeginn erfolgen. Aufgrund des erhöhten Risikos für eine Torsion der Gegenseite wird die zeitgleiche kontralaterale Orchidopexie empfohlen. Bei fortgeschrittenen Nekrosen mit nicht nachweisbarer Reperfusion und ausbleibender Befundbesserung nach Detorquierung muss ggf. der betroffene Hoden entfernt werden.

Unterschiedliche Algorithmen bei Verdacht auf tiefe Venenthrombose

Die Frage, wie die Diagnostik bei Verdacht auf eine tiefe Venenthrombose erfolgen soll, beantwortete Rupert Bauersachs vom Cardioangiologischen Centrum Bethanien (CCB) in Frankfurt: Hier empfiehlt die aktuelle AWMF-S2k-Leitlinie (2023) „Diagnostik und Therapie der tiefen Venenthrombose und Lungenembolie“ (https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/065-002) unterschiedliche Algorithmen in Abhängigkeit von der klinischen Situation (Duplex sofort verfügbar vs. Point-of-Care-2-Punkt-Kompressionsultraschall verfügbar vs. kein Ultraschall verfügbar). Je nachdem, welche der drei Situationen vorliegt, ergeben sich etwas unterschiedliche Abläufe.

Auch weiterhin ist die Kombination aus klinischer Wahrscheinlichkeit und D-Dimer von zentraler Bedeutung. Steht z. B. am Wochenende die bildgebende Diagnostik nicht zur Verfügung, so kann bei hoher Wahrscheinlichkeit oder positivem D-Dimer überbrückend mit der Antikoagulation begonnen werden. Die Dosis richtet sich dabei nach dem klinischen Befund und dem Blutungsrisiko – eine Prophylaxe-Dosis ist in der Regel nicht ausreichend.

Selbstverständlich muss später ein definitiver Nachweis oder Ausschluss einer tiefen Venenthrombose erfolgen. Eine definitive Duplex-Diagnostik muss auch folgen, wenn im 2-Punkt-Kompressionsultraschall keine tiefe Venenthrombose nachgewiesen wurde. In diesem Fall kann aber zunächst auf eine Antikoagulation verzichtet werden.

mpMRT bei Verdacht auf ­Prostatakarzinom indiziert

Die bildgebende Diagnostik im Zusammenhang mit einem Prostatakarzinom hat sich in den letzten Jahren deutlich verändert, erklärte Andreas Gross, Chefarzt der Urologie in der Asklepios Klinik Hamburg-Barmbek. Der transrektale Ultraschall hat nur eine sehr eingeschränkte Sensitivität und Spezifität und ist von der Erfahrung und Sorgfalt des Untersuchers abhängig, weswegen bei verdächtigem PSA-Wert und/oder auffälliger Tastuntersuchung als nächster Schritt ein multiparametrisches MRT (mpMRT) erfolgen sollte. Leider wird diese Untersuchung noch nicht von den Krankenkassen übernommen, so Gross, wenngleich sie in Fachkreisen bereits als „Goldstandard“ angesehen werde.

G.-M. Ostendorf, Wiesbaden