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Bayerisches LSG, Urteil vom 19. April 2023 - L 2 U 3/22

Tenor

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 26.10.2021 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Kläger wegen des Arbeitsunfalls vom 30.09.2013 gegen die Beklagte einen Anspruch auf Verletztenrente, zumindest in Form einer Stützrente, hat.

Der Kläger ist im Jahr 1967 geboren. Er war von Beruf Baumaschinenmechaniker. Seit 2018 bezieht er Rente wegen Erwerbsminderung.

Er hatte bereits im Januar 1993 einen Arbeitsunfall erlitten, aus dem eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) in Höhe von 15 v.H. resultiert - so sein Vortrag im Rahmen der Klagebegründung vom 30.03.2020.

Am 02.10.2013 stellte sich der Kläger beim Durchgangsarzt H (Praxis D) vor und gab an, dass er am 30.09.2013 auf einer Baustelle unter einen Bagger gekrochen sei, um einen defekten Schlauch zu richten. Dabei sei er mit dem rechten Knie an einen Stein gestoßen. H diagnostizierte eine Bursitis präpatellaris rechts und Knieprellung rechts.

Mit Unfallanzeige vom 08.10.2013 wurde das Geschehen vom 30.09.2013 bei der Beklagten als Arbeitsunfall angezeigt. Der Kläger sei, um den gerissenen Schlauch an der Unterseite eines Baggers zu reparieren, unter diesen zwischen den Rahmen geklettert und habe sich dabei das Knie auf einem der am Boden liegenden Steine gestoßen.

Am 17.10.2013 wurde eine Bursektomie am rechten Knie durchgeführt, anschließend im Rahmen eines stationären Aufenthalts vom 18.10.2013 bis zum 22.10.2013 noch eine postoperative Wundrevision bei Nachblutung.

Am 02.01.2014 stellte H eine indurierte Narbe und Druckschmerzhaftigkeit des rechten Kniegelenks mit geringem Kniegelenkserguss bei freier Kniegelenksfunktion und Insuffizienz der knieumgreifenden Muskulatur fest.

Bei der Nachschau am 16.01.2014 dokumentierte H u.a. eine Narbenkontraktur vorderseitiges Kniegelenk und eine Beweglichkeit des rechten Knies von 0/0/130° bei reizlosem Kniegelenk.

Arbeitsunfähigkeit bestand bis zum 17.01.2014.

Bei der Nachschau am 20.02.2014 erhob H folgenden Befund: immer noch leichte Verkürzung der Patellasehne und Narbenkontraktur vorderseitiges Kniegelenk mit Gelenksfunktionsstörung der Patella, keine Infektzeichen, Knie reizlos, Beweglichkeit noch eingeschränkt.

In der Rechnung der Praxis D vom 20.03.2014 über die Behandlung des Klägers wegen des Arbeitsunfalls vom 30.09.2013 wird als Diagnose neben dem Zustand nach Bursektomie auch eine Chondropathia patellae rechts genannt.

Bei einer Nachschau im 04.06.2014 durch H gab der Kläger wieder zunehmende Schmerzen der Narbe am vorderseitigen Knie an.

Bei einer weiteren Nachschau am 16.07.2014 stellte H eine Beweglichkeit des rechten Kniegelenks von 0/0/130° fest.

Am 17.07.2014 wurde eine Kernspintomografie des rechten Kniegelenks durchgeführt, bei der eine fokale Chondropathia patellae Grad III, ein mäßig ausgeprägtes Patellaspitzensyndrom und ein fokales bone bruise im medialen Femurcondylus festgestellt wurden.

Am 31.10.2014 stellte sich der Kläger zur Einholung einer Zweitmeinung beim Chirurgen B vor. Er gab dort an, auf dem rechten Knie nicht mehr knien zu können und nach längerem Stehen Schmerzen in der körperfernen Kniescheibenregion zu haben. B stellte eine reizlose und verschiebliche 4 cm lange Narbe am rechten Knie fest, an deren Ende ein triangelförmiges Areal (2,5 x 3 x 3 cm) bestehe, das nur mäßig verschieblich sei. Im Kniegelenk finde sich kein Erguss. Das gestreckte Bein könne auch gegen Widerstand angehoben werden. Die Patella sei verschiebeschmerzhaft.

Am 27.05.2015 stellte sich der Kläger bei F vor. Der Kläger gab dort an, dass er zunehmend linksseitig Schmerzen hinter der Kniescheibe, besonders beim Aufstehen aus der Hocke, habe. Das Knien sei ebenfalls erschwert durch den Druckschmerz unter der Patellaspitze links. Rechtsseitig bestehe nun ebenfalls dieselbe Symptomatik. Bei der klinischen Untersuchung hätten sich im rechten Knie reizlose Haut- und Narbenverhältnisse gezeigt. Im Bericht ist Folgendes festgehalten: "Extension/Flexion 0/0/50°, keine endgradige Bewegungseinschränkung," kein Erguss, keine Rötung, keine Überwärmung, etwas induriertes Gewebe im Bereich des Ligamentum patellae, Druckschmerz unter der Patellaspitze links, Extension/Flexion 0/0/160°.

Mit E-Mail vom 07.06.2019 machte der Bevollmächtigte des Klägers im Zusammenhang mit weiteren Arbeitsunfällen des Klägers geltend, dass das Unfallereignis vom 30.09.2013 eine MdE von mindestens 10 v.H. begründe. Der Kläger habe nicht unerhebliche Beschwerden, die auch im Sinne einer Verschlechterung von Relevanz sein dürften und eine erneute gutachterliche Einschätzung als geboten erscheinen lassen würden.

Im Auftrag der Beklagten erstellte der Unfallchirurg O am 02.10.2019 ein erstes Rentengutachten.

Er ist darin zu der Einschätzung gekommen, dass die MdE im Zeitraum vom 18.01.2014 bis zum 21.08.2019 (Untersuchungstag) 10 v.H. betrage.

Im Einzelnen hat er Folgendes ausgeführt: Am rechten Kniegelenk finde sich präpatellar mit senkrechtem Verlauf eine Narbe von ca. 10 cm. Die Narbe sei proximal gut verschieblich, mittig und distal schlecht verschieblich und deutlich schmerzhaft. Bis auf eine diskrete Schwellung vor der Patellasehne zeige sich das rechte Kniegelenk äußerlich reizlos. Die Flexion sei ab 60° deutlich schmerzhaft parapatellar und es finde sich eine endgradige leichte Bewegungseinschränkung. Im Messblatt des Gutachtens sind bei den Umfangsmaßen der unteren Extremitäten Unterschiede von maximal 1 cm (größere Umfänge teilweise auf der rechten Seite) dokumentiert. Die Kniegelenksbeweglichkeit wurde rechts mit 0/0/125°, links mit 0/0/140° angegeben.

Unfallbedingt lägen eine posttraumatische Bursitis präpatellaris nach Knieprellung mit vermutlicher Einblutung und postoperativ nach Bursektomie vorhandenem Hämatom mit erforderlicher Revision und postoperativen Vernarbungen bei initial leichter Wundheilungsstörung mit dadurch bedingter schmerzhafter Beugung im Kniegelenk bei fehlender Gleitschicht zwischen Haut, Unterhautfettgewebe und Patella sowie Patellasehne rechts sowie Dysästhesien medial der Narbe im rechten Kniegelenk und eine Anästhesie lateralseitig lokal vor.

Der kernspintomographisch nachgewiesene fissurale Knorpelschaden an der Patella sei unfallunabhängig; bei einer traumatischen Verursachung wäre ein ausgestanzter Defekt zu erwarten.

Bei unklarem Wiedereintritt der Arbeitsunfähigkeit am 18.01.2014 sei bei am 16.01.2014 dokumentierter Beweglichkeit von Extension/Flexion 0/0/130° - drei Monate nach der Operation sei hier ein Endzustand anzunehmen - aufgrund der deutlich schmerzhaften Flexion ab 60° aufgrund der Vernarbungen von einer MdE von 10 v.H. auszugehen.

Der Beratungsarzt G hat am 23.10.2019 der MdE-Einschätzung des Sachverständigen nicht zugestimmt. Ursache für die beidseits ab dem 27.05.2015 dokumentierten Kniebeschwerden sei eine Chondromalazie 2. bis 3. Grades, die in der Kernspintomografie vom November 2014 dokumentiert sei. Gegenüber dieser Erkrankung würden die Verwachsungen nach Bursektomie rechts ganz in den Hintergrund mit einer MdE von unter 10 v.H. treten.

Wegen der unterschiedlichen Bewertungen hat die Beklagte beim Chirurgen und Unfallchirurgen K eine weitere beratungsärztliche Stellungnahme angefordert. K schloss sich in seiner Stellungnahme vom 09.11.2019 der Einschätzung des G an. Die weiteren im Bereich des Kniegelenks erhobenen Befunde, insbesondere das Patellaspitzensyndrom und die Chondropathia patellae mit dem drittgradigen Knorpelschaden, seien ohne Unfallzusammenhang, seien aber die Ursache für die Kniegelenksbeschwerden des Klägers. In der Regel verbleibe nach einer Bursektomie keine Funktionsbeeinträchtigung des Kniegelenks, da es sich hier um einen extraartikulären Eingriff handele.

Mit Bescheid vom 12.12.2019 lehnte es die Beklagte ab, dem Kläger wegen Folgen des Arbeitsunfalls vom 30.09.2013 Rente zu gewähren. Der Arbeitsunfall habe zu einer Prellung des rechten Kniegelenks mit operativer Entfernung des Schleimbeutels vor der Kniescheibe mit leichten Sensibilitätsstörungen im Bereich der verbliebenen Narbe geführt. Davon unabhängig lägen ein Knorpelschaden an der Kniescheibenrückseite und ein Kniescheibenspitzensyndrom im rechten Kniegelenk vor. Dem Gutachten des O hinsichtlich der Höhe der MdE von 10 v.H. sei nicht zu folgen. Die eigentliche Ursache für die Beschwerden liege in den unfallfremden Beeinträchtigungen.

Dagegen erhob der Bevollmächtigte des Klägers mit Schriftsatz vom 10.01.2020 Widerspruch und begründete diesen mit E-Mail vom 11.02.2020 wie folgt: Den beratungsärztlichen Stellungnahmen könne nicht zugestimmt werden. Diese würden ohne jegliche differenzierte Diskussion des Inhalts des Gutachtens einen ursächlichen Zusammenhang und Unfallfolgen generell ablehnen. Die Kausalität sei ebenso wie die bestehenden unfallkausalen Beschwerden und Schmerzen nachgewiesen. Es werde angeregt, ein ergänzendes Gutachten bei F einzuholen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 04.03.2020 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Mit Schriftsatz vom 30.03.2020, eingegangen am selben Tag, hat der Bevollmächtigte des Klägers Klage zum Sozialgericht (SG) Regensburg erhoben. Begründet hat er die Klage wie folgt:

Der Kläger habe sich beim Arbeitsunfall vom 30.09.2013 eine Kniekontusion rechts mit posttraumatischer Bursitis präpatellaris und schmerzhaften Vernarbungen nach Bursektomie und Revision zugezogen. Aus dem von der Beklagten bei O eingeholten Gutachten ergebe sich eine dauerhafte MdE von 10 v.H. Die Beklagte erkenne dies nicht an und berufe sich stattdessen auf gegenteilige beratungsärztliche Stellungnahmen. Im Widerspruchsverfahren habe der Kläger beantragt, ein Gutachten bei F einzuholen, was die Beklagte aber nicht getan habe. Bereits jetzt werde mitgeteilt, dass die Einholung eines Gutachtens bei F nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beantragt werde.

Im Auftrag des SG hat der Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, spezielle Schmerztherapie M im 04.12.2020 ein Gutachten nach ambulanter Untersuchung des Klägers erstellt. Er ist darin zu dem Ergebnis gekommen, dass die MdE ab dem 17.01.2014 für ein Vierteljahr mit 10 v.H. einzuschätzen sei, dann ab dem 01.05.2014 mit unter 10 v.H., wie dies auch der aktuellen Bewertung entspreche. Im Einzelnen hat der Sachverständige Folgendes ausgeführt:

Zu seinen aktuellen Beschwerden habe der Kläger angegeben, dass er merke, dass die Haut an der Kniescheibe festklebe. In seinem VW Passat spüre er das nicht so. Heute sei er aber mit dem Ford Kuga seines Neffen gekommen, in dem er nicht so entspannt sitze. Er spüre die Spannung, im Sitzen tue das eigentlich nicht weh. Beim Beugen habe er ein Ziehen an der unteren Kniescheibe. Wegen einer Depression, eines Tinnitus und hohen Blutdrucks nehme er Medikamente ein, bei Bedarf zudem Ibuprofen 600, drei- bis viermal die Woche.

Zu den Beobachtungen bei der Begutachtung hat der Sachverständige Folgendes mitgeteilt: Außerhalb der Untersuchungssituation sei das Gangbild des Klägers schwungvoll, hinkfrei und raumgreifend, beide Füße würden regelrecht aufgesetzt und abgerollt. Auch unmittelbar nach dem Aufstehen aus dem Wartezimmerstuhl sei das Gangbild unauffällig, mit Betreten des Untersuchungszimmers werde es pathologisch mit Streckung des rechten Kniegelenks auch in der Schwungphase und plantigradem Auftritt. Orthopädische Hilfsmittel würden nicht benötigt, der Kläger komme mit Konfektionsschuhwerk ohne Zurichtungen. Alle in der Praxis notwendigen alltäglichen Bewegungsabläufe würden, abgesehen von der artifiziellen Gangstörung, zügig und funktionell nicht beeinträchtigt gezeigt. Beim Ablegen der Schuhe und Strümpfe zeige der Kläger einen sicheren wechselnden Einbeinstand. Das anamnestische Gespräch habe der Kläger ohne erkennbare schmerzbedingte Haltungsänderungen in entspannter Sitzposition verbracht. Positionswechsel während der einzelnen Untersuchungsschritte würden sicher und ohne funktionelle Störungen gezeigt. Sein Vortrag zur Vorgeschichte und seine Beschwerdeschilderung seien durchaus sachlich im Tonfall, wenn auch nicht vollständig plausibel vom Inhalt her. Sein Verhalten sei adäquat, die Mitarbeit begrenzt.

Folgenden Befund hat der Sachverständige beschrieben: Die Muskulatur der Beine sei seitengleich entwickelt, die Konturen der Kniegelenke und Sprunggelenke seitengleich normal. Beide Kniegelenke seien frei beweglich, frei zu beugen und frei zu strecken. Links würden bei Überbeugung oder Überstreckung keine Beschwerden angegeben. Bei der Überbeugung des rechten Kniegelenks berichte der Kläger in nicht ganz adäquater Lautstärke über Beschwerden in der Region einer vor der Kniescheibe liegenden Narbe. Diese Narbe verlaufe senkrecht über den unteren Kniescheibenpol; sie sei im unteren Drittel etwas schwer mobilisierbar, aber nicht gerötet oder verhärtet. Beide Kniegelenke seien reizlos, nicht überwärmt, ein Erguss sei nicht zu tasten. Vor dem rechten Kniegelenk lägen im unteren Kniescheibenpol und auch am Schienbeinkopf ausgeprägte Hautverhornungen. Ein synovialer Reizzustand liege nicht vor. Die Füße seien seitengleich beschwielt. Der neurologische Befund sei unauffällig. Einbein-, Zehen- und Hackenstand seien beidseits möglich.

Dem Messblatt für untere Gliedmaßen sind im Wesentlichen seitengleiche Umfangsmaße (Seitendifferenz maximal 0,5 cm) zu entnehmen. Die Beweglichkeit der Kniegelenke ist seitengleich mit 10/0/140° angegeben.

Es sei (als Erstschaden) von einer auf Druck entstandenen traumatischen Entzündung des vor der Kniescheibe gelegenen Schleimbeutels auszugehen. Der Schleimbeutel sei anschließend entfernt worden mit nachfolgender Wundrevision. Nach Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit habe der Kläger im Juni 2014 und Dezember 2014 über anhaltende Schmerzen im rechten Kniegelenk berichtet, dann wieder im Mai 2015. Kernspintomographisch sei ein kleiner Knorpeldefekt hinter der Kniescheibe gesehen worden, der von Seiten der Behandler zu Recht nicht als Unfallfolge aufgefasst worden sei. Das Unfallereignis sei zu banal gewesen, um einen strukturellen Schaden am Gelenkknorpel zu bedingen. Zwischenzeitlich aufgetretene ähnliche Beschwerden am linken Kniegelenk seien dem Kläger bei der Begutachtung nicht erinnerlich gewesen.

Wieso O im ersten Rentengutachten vom 02.10.2019 zu der Auffassung gekommen sei, dass die MdE mit 10 v.H. einzuschätzen sei, sei rätselhaft. Beschrieben worden sei lediglich eine symptomatische Narbe vor der Kniescheibe; das Kniegelenk sei reizlos gewesen; der Gutachter habe eine Beugung des rechten Kniegelenks deutlich über den rechten Winkel hinaus beschrieben.

Die beim Kläger vorliegende Narbe sei reizlos, lediglich im unteren Drittel gering mit dem Unterhautgewebe verwachsen. Auffällig seien kräftige präpatellare Schwielen an der unteren Kniescheibe und im vorderen Schienbeinkopf. Das rechte Kniegelenk sei absolut reizlos, eine synoviale Schwellung oder ein Erguss sei nicht festzustellen.

Abgesehen von einer im unteren Drittel mit der Unterlage etwas verwachsenen Operationsnarbe lägen keine Unfallfolgen mehr vor. Konkrete Funktionseinschränkungen würden darüber hinaus nicht mehr hervorgerufen.

Mit dem Inhalt des Gutachtens des O vom 02.10.2019 bestehe keine Übereinstimmung. Die Beweglichkeit des verletzt gewesenen Kniegelenks sei zu diesem Zeitpunkt nicht mehr wesentlich eingeschränkt gewesen (Beugung aus freier Streckung bis 125°). Eine MdE von 10 v.H. sei somit nicht mehr gerechtfertigt gewesen. Aktuell gelinge die Beweglichkeit seitengleich bis 140°.

Anschließend hat der Klägerbevollmächtigte mit Schriftsatz vom 21.01.2021, ohne sich inhaltlich zum Gutachten des M zu äußern, auf seinen bereits mit Klageerhebung gestellten Antrag auf Begutachtung durch F gemäß § 109 SGG hingewiesen.

Im Gutachten vom 31.05.2021 ist der Sachverständige F, der zusammen mit P, dessen Mitwirkung zuvor vom Klägerbevollmächtigten zugestimmt worden war, begutachtet hat, zu der Einschätzung gekommen, dass vom Unfalltag bis zum 31.12.2013 eine MdE von 40 v.H., vom 01.01.2014 bis zum 31.03.2014 von 30 v.H., vom 01.04.2014 bis zum 30.06.2014 von 20 v.H. und anschließend von 10 v.H. gegeben sei. Im Einzelnen hat der Sachverständige Folgendes ausgeführt:

Am 30.09.2013 habe sich der Kläger einen vermutlich spitzen Fremdkörper rechts präpatellar eingespießt, wobei es zu einer minimalen Verletzung gekommen sei. Anschließend sei es zu einer erheblichen Schwellung präpatellar gekommen. Nach einigen Wochen sei dann wegen fehlender Besserung die Operation mit Entfernung des Schleimbeutels erfolgt. Anschließend sei nochmals ein Revisionseingriff durchgeführt worden. Im Anschluss daran sei es zu einer deutlich verlängerten Heilungsphase gekommen.

Aktuell beklage der Kläger eine erhebliche Wetterfühligkeit im rechten Kniegelenk, die Beugefähigkeit sei stark eingeschränkt, ein Knien sei unmöglich. Er nehme wöchentlich Schmerzmittel ein.

Zur Untersuchung sei der Kläger mit einem diskret rechts hinkenden Gangbild gekommen. Die Entwicklung der Muskulatur an beiden Ober- und Unterschenkeln sei regelrecht. Präpatellar fänden sich beidseits eine erhebliche Schwielenbildung und erhebliche Verhärtungen. Auf der rechten Seite gebe es sehr starke Adhäsionen zwischen Unterhautfettgewebe und Kniescheibe, hier im Bereich der Kniescheibe ein erheblicher Druckschmerz. Infektionszeichen gebe es nicht. Die Extension sei frei, die Beugung auf 110° eingeschränkt, passiv unter Schmerzen könne diese noch um wenige Grade erhöht werden. Ein Erguss liege im rechten Kniegelenk nicht vor.

Dem beigefügten Messblatt für untere Gliedmaßen ist im Oberschenkel eine Muskeldifferenz von bis zu 2 cm zulasten der rechten Seite, im Unterschenkel eine Muskeldifferenz von 1 cm zulasten der linken Seite vermerkt. Die Bewegungsmaße des Kniegelenks sind im Merkblatt wie folgt angegeben: rechts: 0/0/100°, links: 0/0/140°.

Zu den Unfallfolgen hat der Sachverständige ausgeführt: Es lägen starke Verwachsungen präpatellar zwischen Unterhautfettgewebe und Kniescheibe vor. Aufgrund des komplizierten Verlaufs mit Infektion und mehreren operativen Eingreifen sowie der verlängerten Heilungsphase aufgrund der Infektion sei es zu einem chronischen Schmerzsyndrom gekommen, das eine Unfähigkeit des Kniens hervorgerufen habe.

Ein zwischenzeitlich geäußertes Patellaspitzensyndrom sei vollkommen unfallunabhängig, ebenso ein Knorpelschaden an der Kniescheibe. Die beiden vorgenannten Erscheinungen seien auch nicht verantwortlich für die aktuellen Beschwerden und könnten außer Acht gelassen werden. Im Vordergrund stehe ein chronisches Schmerzsyndrom präpatellar, das klar dem Unfall, den weiteren Operationen und dem Verlauf zuzuordnen sei.

Als Funktionseinschränkungen sei eine Beugeeinschränkung auf 110° sowie eine druckschmerzhafte Verwachsung präpatellar zu nennen.

Seine Einschätzung einer dauerhaften MdE von 10 v.H. ab dem 01.07.2014 hat der Gutachter wie folgt begründet: Der Kläger könne nicht mehr knien. Dies mache eine Arbeit im ehemaligen Berufsfeld fast unmöglich. Zudem sei die verminderte Beugefähigkeit ebenfalls nicht mehr suffizient vereinbar mit der ursprünglichen Tätigkeit oder anderer körperlich belastender Arbeit. Erläuterungen zu der für die vorhergehende Zeit in größerer Höhe angenommene gestufte MdE enthält das Gutachten nicht.

F hat sich dem Verwaltungsgutachten des O weitgehend angeschlossen, dem Gerichtsgutachten des M widersprochen.

Zudem hat er noch Folgendes erläutert: Ein Knorpeldefekt sei zwar diagnostiziert worden, jedoch nicht dem Unfall zuzuordnen. Er habe auch nichts mit den geäußerten Beschwerden zu tun, die eigentlich ausschließlich extraartikulär zu werten seien. Eine Beugung über 110° hinaus toleriere der Kläger glaubhaft nicht. Auch habe der Kläger bei dem Versuch, das Knie weiter zu beugen, erheblich dagegen gespannt. Im gesamten Verlauf und in Zusammenschau der Befunde sei es plausibel, dass eine schmerzhafte Narbenbildung eingetreten sei. Derartiges sei auch bei Eingriffen zu beobachten, die nicht mit Infektionen verbunden gewesen seien; auch diese Patienten würden nicht selten unter chronischen Schmerzen präpatellar und auch der Unfähigkeit, entsprechend zu knien, leiden.

Die Beklagte hat zum Gutachten gemäß § 109 SGG mit Schreiben vom 12.07.2021 darauf hingewiesen, dass im Hinblick auf die MdE von wesentlicher Bedeutung die Funktion und damit vor allem die Beweglichkeit des betroffenen Kniegelenks seien. Beim Kläger sei ab Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit im Januar 2014 durchgehend eine Beugefähigkeit mit 130° bzw. bei der Begutachtung durch O von 125° festgestellt worden. Eine MdE von 10 v.H. werde damit nicht erreicht. Dass jetzt nach mehr als sieben Jahren die Beweglichkeit nur mehr 110° betragen sollte, erscheine wenig plausibel. Noch weniger plausibel erscheine die vom Gutachter vorgenommene MdE-Staffelung. Eine MdE von 10 v.H. lasse sich für eine reizlose Narbe, die im unteren Drittel gering mit dem Unterhautgewebe verwachsen sei, nicht begründen.

Mit Urteil vom 26.10.2021 hat das SG die Klage abgewiesen und sich dabei auf das Gutachten des M gestützt.

Gegen das ihm am 01.12.2021 zugestellte Urteil hat der Bevollmächtigte des Klägers am 31.12.2021 Berufung zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) eingelegt.

Begründet hat er die Berufung mit Schriftsatz vom 22.03.2022 wie folgt:

Das SG habe die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass dem Gutachten des F, welches das klägerische Begehren in vollem Umfang bestätige, nicht zu folgen sei. Das Gericht habe Widersprüche in diesem Gutachten im Verhältnis zu den beratungsärztlichen Stellungnahmen der Beklagten und zum gerichtlich eingeholten Gutachten des M gesehen und die Klage ohne die gebotene weitere Aufklärung abgewiesen. Für das SG sei es plausibler gewesen, dass beim Kläger eine MdE von unter 10 v.H. vorliege und die von F angeführten Umstände (Schmerzen und pathologische Veränderungen im Gewebe) unfallunabhängige Ursachen hätten. Das SG habe ausgeführt, dass die Bewegungseinschränkungen des Knies außer bei F in einem Bereich gelegen hätten, der keine MdE von 10 v.H. rechtfertige. Es stelle sich die Frage, warum das SG diese Widersprüche nicht weiter aufgeklärt habe. Schließlich handele es sich beim Gutachten des F um das jüngste Untersuchungsergebnis. Die Klageabweisung basiere weniger auf unfallrechtlichen Erwägungen als darauf, dass das SG den vom Kläger zu führenden Beweis als nicht erbracht ansehe und dass das SG eine eigene Wertung vorgenommen habe, ohne die gebotene weitere Aufklärung zu betreiben. Das SG könne nicht ohne weitere Aufklärung und Nachfrage in medizinischer Hinsicht das Gutachten des F als null und nichtig verwerfen. Es wäre angezeigt gewesen, den Gutachter anzuhalten, sein Gutachten zu ergänzen. Es sei daher in der Berufungsinstanz den offenen Fragen nachzugehen. Auch sei dem SG anzulasten, dass es den Kläger nicht geladen und befragt habe.

Dem hat die Beklagte mit Schreiben vom 29.03.2022 entgegengehalten, dass sich das Gutachten des F von selbst disqualifiziere. So enthalte das Messblatt einen Schreibfehler (100° statt 110° wie im Fließtext des Gutachtens). Die MdE sei mit 10 v.H. bewertet worden, weil dem Kläger eine Arbeit im ehemaligen Berufsfeld fast unmöglich sei und die verminderte Beugefähigkeit nicht mit der ursprünglichen Tätigkeit vereinbar sei. Dabei habe der Gutachter das in der gesetzlichen Unfallversicherung herrschende Prinzip der abstrakten Schadensbemessung, wonach hinsichtlich der MdE nicht auf eine konkrete Tätigkeit oder ein bestimmtes Berufsbild abgestellt werden dürfe, verletzt. Darauf habe das SG zu Recht hingewiesen. Vor einer dauerhaften MdE von 10 v.H. habe F nach dem Unfall jeweils für drei Monate eine MdE von 40 v.H., von 30 v.H. und von 20 v.H. vorgeschlagen. Eine Begründung dafür fehle, zumal Werte von 40 v.H. (wie für den Verlust eines Unterschenkels), von 30 v.H. (wie für eine Versteifung eines Kniegelenks) und von 20 v.H. (wie für die Versorgung mit einer Knie-Totalendoprothese) nicht gerechtfertigt seien. Unfallbedingt sei die operative Entfernung des Schleimbeutels notwendig geworden, die eine entsprechende Narbe hinterlassen habe, die im unteren Drittel mit dem Unterhautgewebe verbacken sei. Es handele sich um einen Dauerzustand, den F seit Juli 2014 mit einer MdE von 10 v.H. bewerte. Wenn also das jüngste Untersuchungsergebnis schon deutlich abweiche, hätte zwingend erklärt werden müssen, wie es bei diesem stationären Befund zur deutlichen Verschlechterung der Kniegelenksbeweglichkeit im Vergleich zu früheren Befunden gekommen sein sollte. Unfallbedingt anerkannt sei eine Knieprellung mit operativer Entfernung des Schleimbeutels vor der Kniescheibe. Ob nun eine stumpfe Prellung allein oder eine dabei erfolgte Mikroverletzung die Entfernung des Schleimbeutels notwendig gemacht habe, spiele keine Rolle mehr. Eine messbare MdE lasse sich mit der nach unfallbedingter Schleimbeutelentfernung vorliegenden reizlosen Narbe mit geringfügiger Einschränkung der Kniegelenksbeweglichkeit nicht begründen.

Auf Anfrage des Gerichts hat die orthopädische Gemeinschaftspraxis D, in der die operative Schleimbeutelentfernung durchgeführt worden und in der der Kläger auch in der Folge behandelt worden war, mit Eingang am 22.04.2022 berichtet, dass sich der Gesundheitszustand des Klägers seit 2014 gebessert habe.

Mit Schriftsatz vom 17.05.2022 hat der Klägerbevollmächtigte die Berufung ergänzend begründet:

Entgegen der Auffassung des SG stehe in § 56 SGB Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (VII) nichts von allgemeinen Einschränkungen im Bereich des allgemeinen Arbeitsmarktes. Entgegen der Auffassung des LSG dürften daher individuell-subjektive Einschränkungen infolge des versicherten Ereignisses gerade nicht außen vor bleiben. Auch komme es nicht alleine auf die Bewegungseinschränkung des Kniegelenks, sondern sehr wohl auf Schmerzen an. Wenn das Gericht der Auffassung sei, der Sachverständige (nach § 109 SGG) habe den rechtlichen Rahmen verkannt, so habe es einen Hinweis zu erteilen und auf die Einhaltung des aus seiner Sicht gebotenen Rahmens hinzuwirken. Es sei verfahrensfehlerhaft, wenn ohne jeglichen Hinweis des Gerichts erstmals im Urteil des SG vermeintliche Widersprüche thematisiert würden und sodann unter Bezugnahme auf die Feststellungslast des Klägers ohne jede weitere Aufklärung auf Klageabweisung erkannt werde. Der Kläger sei aktenkundig noch im Dezember 2014, also mehr als ein Jahr nach dem Unfall, bei Ärzten vorstellig geworden und habe die erheblichen und nicht erklärlichen Schmerzen und Beeinträchtigungen beklagt. Dem Kläger habe aber damals nicht geholfen werden können. Was solle es dann bringen, wenn er weiter bei Ärzten vorstellig werde? Jedenfalls sei dies doch kein Ausschlusskriterium dafür, dass der Kläger unter chronischen Schmerzen leide. Auch hier hätte das SG weiter aufklären und zumindest den Kläger selbst anhören können und müssen. Der objektive Geschehensablauf mit der unfallbedingt und mit Komplikationen behafteten Bursektomie zeige mehr als deutlich, dass es vorliegend gerade nicht um einen typischen Fall einer Schleimbeutelentfernung gehe. Beim Gutachten des M falle deutlich ins Auge, dass dieser Sachverständige dem Kläger mit Misstrauen begegnet sei. Er lege im Gutachten relativ ausschweifend die Verfahrens- und Prozessgeschichte dar, stelle investigative/kriminalistische Beobachtungen zum Verhalten des Klägers überdeutlich heraus und mache sogar zur juristischen Bewertung Ausführungen. Dem SG hätten sich aufgrund der mehrfach und als grenzwertig bis grenzüberschreitend zu bezeichnenden Ausführungen des Sachverständigen M Bedenken gegen eine uneingeschränkte Verwertung des Gutachtens aufdrängen müssen. Das Gegenteil sei aber der Fall gewesen. Es werde ausdrücklich beantragt, eine ergänzende Stellungnahme bei F zu seinem Gutachten einzuholen, insbesondere zu den seitens des SG als aufklärungs- und ergänzungsbedürftig angesehenen Teilen und Passagen.

Der Rechtsstreit ist im Rahmen eines Erörterungstermins am 07.12.2022 ausführlich besprochen worden.

Der Klägerbevollmächtigte hat sich im Nachgang zum Erörterungstermin mit Schriftsatz vom 03.02.2023 wie folgt geäußert:

Im Hinblick auf das Gutachten des F, das den klägerischen Anspruch stütze, werde beantragt, diesen Sachverständigen gemäß § 109 SGG anzuhören. Wenn das Gericht seine Zweifel am Gutachten des F aufrechterhalten sollte, sei bereits von Amts wegen eine weitere Aufklärung zwingend und unverzichtbar. Das Gericht könne auch nicht dem Gutachten des M den Vorzug geben, ohne die abweichenden Feststellungen der beiden Gutachten zuvor medizinisch ab- und aufzuklären. Auch habe der Kläger eingewandt, dass es bei der Untersuchung durch M summarisch, um nicht zu sagen oberflächlich, zugegangen sei. Dieser habe bei der Messung der Beweglichkeit keine Hilfsmittel eingesetzt, sondern frei geschätzt. Im Gegensatz dazu sei der Sachverständige F unter Zuhilfenahme von Messinstrumenten vorgegangen. SG und Senat möchten in dem positiven Gutachten nach § 109 SGG Schwächen und Widersprüche erkennen, der Kläger sehe solche Schwächen und Widersprüche aber ebenfalls im Gutachten des M und habe dies auch dargelegt. Aus der Warte des Gerichts hätte F schon längst gehört werden müssen. Beim Kläger bestünden erhebliche Schmerzen, die auch rechtlich korrekt in die Bewertung der MdE einzufließen hätten. Dies entspreche der gefestigten Rechtsprechung, auch des erkennenden Senats. Eine Ablehnung der Anhörung des gemäß § 109 SGG benannten Sachverständigen würde den Anspruch des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzen und sei nicht willkürfrei zu begründen.

Nach weiteren, mit Schreiben vom 08.02.2023 gegebenen richterlichen Hinweisen hat der Bevollmächtigte des Klägers mit Schriftsatz vom 03.04.2023 Folgendes ausgeführt:

Aus seiner Sicht sei von der Notwendigkeit einer ergänzenden und insbesondere aufklärenden Anhörung des Gutachters nach § 109 SGG auszugehen. Das Gericht stelle auf Abweichungen der beiden Gutachten sowie auf vermeintliche Messfehler im Gutachten nach § 109 SGG ab. Dazu sei der Gutachtensverfasser zu befragen. Das Gericht könne sich nicht kraft eigener Erkenntnis über die im Gutachten angegebenen Messwerte hinwegsetzen. Sofern das SG das vom Gutachter F genannte chronische Schmerzsyndrom als nicht überzeugend bezeichnet habe, weil aufgrund fehlender Behandlungen zwischen 2015 und 2019 der Nachweis einer chronischen Schmerzhaftigkeit nicht geführt werden könne, sei F zur Erläuterung seines Gutachtens anzuhören.

Mit Schriftsatz vom 18.04.2023 hat der Bevollmächtigte des Klägers seinen Antrag auf Anhörung des nach § 109 SGG benannten Gutachters wiederholt.

In der mündlichen Verhandlung vom 19.04.2023 hat der Bevollmächtigte des Klägers beantragt,

das Urteil des SG Regensburg vom "06.10.2021" aufzuheben und den Bescheid vom 12.12.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.03.2020 dahingehend abzuändern, dass die Beklagte dem Kläger Stützrente gewährt.

Einen Antrag auf Anhörung des nach § 109 SGG benannten Gutachters hat er in der mündlichen Verhandlung nicht gestellt.

Die Beklagte hat beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Beigezogen worden sind die Akte des SG sowie die Verwaltungsakte der Beklagten. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt dieser Akten und der Berufungsakte, die allesamt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.

Die auf Aufhebung des Urteils des SG Regensburg vom 26.10.2021 - die unrichtige Datumsbezeichnung ("06.10.2021") des Klägerbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung stellt einen offenkundigen und daher unbeachtlichen Fehler dar - und Abänderung des Bescheides vom 12.12.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.03.2020 dahingehend, dass dem Kläger eine Stützrente zuzusprechen ist, gerichtete Berufung ist unbegründet, weil es die Beklagte, vom SG im Urteil vom 26.10.2021 bestätigt, zu Recht abgelehnt hat, dem Kläger (Stütz-)Rente wegen des Arbeitsunfalls vom 30.09.2013 zu gewähren. Denn die beim Kläger vorliegenden Unfallfolgen begründen nach der 26. Woche nach dem Arbeitsunfall vom 30.09.2013 keine MdE von 10 v.H. (oder mehr), wie sie für eine (Stütz-)Rente erforderlich wäre.

Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 VII haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Ein Anspruch auf Rente besteht gemäß § 56 Abs. 1 Satz 2 VII auch dann, wenn die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert ist und die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20 erreichen (sog. Stützrente nach einer MdE von 10 v.H.). Nach § 56 Abs. 3 Satz 2 SGB VII wird bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit Teilrente geleistet, die in Höhe des Vomhundertsatzes der Vollrente festgesetzt wird, der dem Grad der MdE entspricht. Dabei richtet sich die durch die Unfallfolgen bedingte MdE nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten durch die Unfallfolgen auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (vgl. § 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Die Bemessung des Grades der MdE ist eine Tatsachenfeststellung, die das Gericht gemäß § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG nach seiner freien aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung trifft (vgl. Bundessozialgericht - BSG -, Urteile vom 05.09.2006, B 2 U 25/05, und vom 02.05.2001, B 2 U 24/00 R). Dies gilt für die Feststellung der Beeinträchtigung des Leistungsvermögens des Versicherten ebenso wie für die auf der Grundlage medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher oder seelischer Beeinträchtigungen zu treffende Feststellung der ihm verbliebenen Erwerbsmöglichkeiten (vgl. BSG, Urteil vom 02.05.2001, B 2 U 24/00 - m.w.N.). Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, sind eine wichtige Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie den Umfang der Beeinträchtigung der körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen betreffen (vgl. BSG, Urteil vom 05.09.2006, B 2 U 25/05 R). Erst aus der Anwendung (medizinischer) Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter Gesundheitsbeeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE geschätzt werden (vgl. BSG, Urteil vom 02.05.2001, B 2 U 24/00). Bei der Beurteilung der MdE sind die von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze zu beachten. Diese sind zwar nicht bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel (vgl. BSG, Urteil vom 22.06.2005, B 2 U 14/03 R).

Unfallfolgen sind die Gesundheitsschäden, die wesentlich durch den Gesundheitserstschaden eines Arbeitsunfalls verursacht worden sind oder die nach besonderen Zurechnungsnormen wie § 11 SGB VII dem Gesundheitserstschaden bzw. dem Arbeitsunfall zugerechnet werden (vgl. BSG, Urteil vom 05.07.2011, B 2 U 17/10 R).

Der Gesundheitserstschaden wiederum ist eine den Arbeitsunfall selbst begründende Tatbestandsvoraussetzung (vgl. BSG, Urteil vom 05.07.2011, B 2 U 17/10 R, und vom 24.07.2012, B 2 U 23/11 R). Nach § 8 Abs. 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit) (§ 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII), wobei Unfälle zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse sind, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Für einen Arbeitsunfall ist danach im Regelfall erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis (dem Unfallereignis) geführt hat (Unfallkausalität) und das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität) (vgl. BSG, Urteil vom 09.05.2006, B 2 U 1/05 R).

Für die erforderliche Kausalität zwischen Unfallereignis und Gesundheitserstschaden sowie zwischen Gesundheits(erst)schaden und weiteren Gesundheitsschäden gilt die Theorie der wesentlichen Bedingung (vgl. BSG, Urteil vom 17.02.2009, B 2 U 18/07 R), die auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie beruht. Danach ist jedes Ereignis Ursache eines Erfolges, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Als rechtserheblich werden aber nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg an dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Welche Ursache wesentlich ist, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs abgeleitet (vgl. BSG, Urteil vom 17.02.2009, B 2 U 18/07 R) sowie auf Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstands über die Möglichkeit von Ursachenzusammenhängen zwischen bestimmten Ereignissen und der Entstehung bestimmter Krankheiten ermittelt werden (vgl. BSG, Urteil vom 09.05.2006, B 2 U 1/05 R). Gesichtspunkte für die Beurteilung sind neben der versicherten Ursache als solcher einschließlich Art und Ausmaß der Einwirkung u.a. die konkurrierende Ursache (nach Art und Ausmaß), der zeitliche Ablauf des Geschehens, das Verhalten des Verletzten nach dem Unfall, Befunde und Diagnosen des erstbehandelnden Arztes sowie die gesamte Krankengeschichte (vgl. BSG, Urteil vom 09.05.2006, B 2 U 1/05 R). Es kann mehrere rechtlich wesentliche Mitursachen geben. Ist jedoch eine Ursache - allein oder gemeinsam mit anderen Ursachen - gegenüber anderen Ursachen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur die erstgenannte(n) Ursache(n) wesentlich und damit Ursache(n) im Sinne des Sozialrechts (vgl. BSG, Urteil vom 30.06.1960, 2 RU 86/56). Eine Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber nicht als wesentlich anzusehen ist, wird auch als Gelegenheitsursache oder Auslöser bezeichnet (vgl. BSG, Urteil vom 09.05.2006, B 2 U 1/05 R).

Hinsichtlich des Beweismaßstabs ist zu beachten, dass neben der versicherten Tätigkeit und dem schädigenden Ereignis auch das Vorliegen des Gesundheits(erst)schadens bzw. des Folgeschadens (Unfallfolge) im Vollbeweis, d.h. mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen sein muss (ständige Rspr., vgl. z.B. BSG, Urteile vom 01.02.1996, 2 RU 10/95, vom 15.12.1999, B 9 VS 2/98 R, vom 07.04.2011, B 9 VJ 1/10 R, vom 31.01.2012, B 2 U 2/11 R, und vom 17.12.2015, B 2 U 8/14 R). Für diesen Beweisgrad ist es zwar nicht notwendig, dass die erforderlichen Tatsachen mit absoluter Gewissheit feststehen. Ausreichend, aber auch erforderlich ist indessen ein so hoher Grad der Wahrscheinlichkeit, dass bei Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens kein vernünftiger, den Sachverhalt überschauender Mensch mehr am Vorliegen der Tatsachen zweifelt (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.2000, B 9 VG 3/99 R), d.h. dass die Wahrscheinlichkeit an Sicherheit grenzt (vgl. BSG, Urteil vom 05.05.1993, 9/9a RV 1/92). Für den Nachweis der wesentlichen Ursachenzusammenhänge genügt hingegen die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 02.04.2009, B 2 U 29/07 R). Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden; die reine Möglichkeit genügt dagegen nicht (vgl. BSG, Urteil vom 09.05.2006, B 2 U 1/05 R). Dabei existiert keine zwingende Regel, dass bei fehlender Alternativursache die versicherte naturwissenschaftliche Ursache automatisch auch eine wesentliche Ursache ist, weil dies bei komplexen Krankheitsgeschehen zur Umkehr der Beweislast führen würde (vgl. BSG; Urteile vom 09.05.2006, B 2 U 1/05 R, und vom 17.12.2015, B 2 U 11/14 R).

Für das vorliegende Verfahren bedeutet dies Folgendes:

Beim Kläger liegt mit der teilweise mit der Unterlage verwachsenen Narbe vor der rechten Kniescheibe eine Unfallfolge vor, die keine MdE von 10 v.H. oder mehr begründet (dazu unten Ziff. 1.). Aber selbst dann, wenn der eingeschränkte Gesundheitszustand im Bereich des rechten Knies, der neben der Narbe aus einem unfallfremden Patellaspitzensyndrom und einer ebenfalls unfallfremden Chondropathia patellae mit Knorpelschaden besteht, in seiner Gänze als unfallbedingt betrachtet würde, würde daraus kein Anspruch auf Stützrente resultieren, da der Zustand im Bereich des rechten Knies seit Ende der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit keiner MdE von 10 v.H. oder mehr entspricht (dazu unten Ziff. 2.). Einer weiteren Befragung des Sachverständigen F bedurfte es nicht (dazu unten Ziff. 3.).

1. Beim Kläger ist als Folge des Unfalls vom 30.09.2013 lediglich eine teilweise mit der Unterlage verwachsene Narbe vor der rechten Kniescheibe verblieben, von der konkrete Funktionseinschränkungen nicht hervorgerufen werden. Dies ergibt sich aus dem insofern überzeugenden Gutachten des M, dessen Feststellungen zu den Unfallfolgen sich der Senat zu eigen macht.

Soweit der Kläger weitergehende unfallbedingte Einschränkungen und Beschwerden im Bereich des Kniegelenks geltend macht, sind solche nicht nachgewiesen bzw. die geltend gemachten Einschränkungen und Beschwerden sind nicht kausal auf den streitgegenständlichen Unfall zurückzuführen. Insbesondere lässt sich eine Bewegungseinschränkung des Kniegelenks samt Beeinflussung des Gangbildes und relevanten Beschwerden nicht auf die mit der Unterlage verwachsene Narbe zurückführen.

Weder der Knorpeldefekt hinter der Kniescheibe noch das Patellaspitzensyndrom ist eine Unfallfolge. Beide Gesundheitsschäden sind nicht durch das Knien des Klägers am 30.09.2013 und/oder die operative Entfernung des Schleimbeutels und die daraus verbliebene teilweise verwachsene Narbe mit der Unterlage verursacht. Das ist nicht nur die überzeugende Einschätzung des M, sondern auch des vom Kläger nach § 109 SGG benannten Sachverständigen. Die zwei vorgenannten Gesundheitsstörungen - Knorpeldefekt hinter der Kniescheibe und Patellaspitzensyndrom - sind vielmehr auf unfallunabhängige Ursachen zurückzuführen. So hat der Kläger beispielsweise auch bei der Untersuchung durch F am 27.05.2015 am linken, vom Unfall nicht betroffenen Kniegelenk ähnliche Beschwerden wie rechts angegeben.

Im Übrigen kann sich der Senat aufgrund der Beobachtungen des M nicht im Sinne des Vollbeweises davon überzeugen, dass überhaupt eine relevante Beeinträchtigung des Gangbildes beim Kläger vorliegen würde. So hat der Sachverständige beschrieben, dass das Gangbild des Klägers außerhalb der Untersuchungssituation schwungvoll, hinkfrei und raumgreifend gewesen sei und beide Füße regelrecht aufgesetzt und abgerollt worden seien. Auch noch unmittelbar nach dem Aufstehen aus dem Behandlungszimmerstuhl sei - so der Sachverständige - das Gangbild unauffällig gewesen und erst mit Betreten des Untersuchungszimmers pathologisch geworden. Dies ist für den Senat ein klarer Hinweis darauf, dass der Kläger Beschwerden und Beeinträchtigungen vorgibt, die so tatsächlich gar nicht vorliegen.

Sofern der Bevollmächtigte des Klägers die Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen M als Ausfluss seiner Ansicht nach investigativer und kriminalistischer Beobachtungen, die einem Gutachter nicht zustünden, ansieht, diese daher als grenzwertig bis grenzüberschreitend bezeichnet und meint, das Gutachten sei deshalb nicht oder nur eingeschränkt verwertbar, verkennt der Bevollmächtigte die Aufgabe eines Sachverständigen. Dieser hat nicht Behauptungen und gezeigte Verhaltensweisen eines zu Begutachtenden vorbehaltlos und damit sozusagen blind als tatsächlich so vorliegend zu übernehmen, sondern zu hinterfragen, ob solche auch wirklich vorliegen. So weist die Begutachtungsliteratur explizit darauf hin, dass sämtliche am Untersuchungsort im zeitlichen Zusammenhang mit der Untersuchung vom Sachverständigen beobachteten Verhaltensweisen des zu Begutachtenden verwertbare Befundtatsachen sind. Dazu gehören auch solche Erkenntnisse, die der Gutachter in scheinbar unbeobachteten Momenten gewinnt, also bei der Beobachtung des Probanden bei der Anreise, bei der Wartezeit, beim Ent- und Ankleiden sowie beim Verlassen der Untersuchungseinrichtung (vgl. Schönberger, Mehrtens, Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl. 2017, S. 110). Auch die Leitlinie für die ärztliche Begutachtung von Menschen mit chronischen Schmerzen ("Leitlinie Schmerzbegutachtung", AWMF-Registernummer 094 - 003) (Stand 2017) enthält ähnliche Vorgaben. So weist sie ausdrücklich darauf hin, dass die Beobachtung beispielsweise des Gangbildes des Probanden beim Eintreten bzw. am Ende der Begutachtung ein wichtiger Gesichtspunkt im Rahmen der Befunderhebung sei (vgl. S. 13 der Richtlinie). Es gehört daher zu der Aufgabe eines Sachverständigen, eine Plausibilisierung gezeigter Verhaltensweisen und Beschwerdeangaben auch durch Beobachtungen außerhalb der eigentlichen/konkreten Untersuchungssituation vorzunehmen, die dann in die Beweiswürdigung des Gerichts einfließen (vgl. z.B. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 26.10.2007, L 5 B 23/07 KR; Hess. LSG, Urteil vom 20.12.2011, L 3 U 159/07; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 28.09.2018, L 8 U 1128/17; VG Ansbach, Urteil vom 27.09.2012, AN 1 K 09.01923). Dem Sachverständigen M kann daher kein unzulässiges Verhalten vorgeworfen werden, das der Verwertung seines Gutachtens entgegenstünde oder diese einschränken würde.

Auch hat sich der Senat - unabhängig davon, dass die vom Kläger behaupteten Schmerzen im Bereich des rechten Knies nicht plausibel mit der verbliebenen Unfallfolge zu erklären sind, sondern Schmerzen eher auf die unfallfremden Gesundheitsstörungen (Knorpelschaden, Patellaspitzensyndrom) zurückzuführen sein dürften - nicht im Sinne des Vollbeweises davon überzeugen können, dass beim Kläger tatsächlich relevante Schmerzen im Bereich des rechten Kniegelenks vorhanden sind. Denn der Sachverständige M hat berichtet, dass der Kläger das anamnestische Gespräch ohne erkennbare schmerzbedingte Haltungsänderungen in entspannter Sitzposition verbracht habe, was bei den vom Kläger behaupteten Schmerzen so nicht zu erwarten gewesen wäre. Zudem weckt das vom Kläger in der Untersuchungssituation dargestellte pathologische Gangbild, das er außerhalb der eigentlichen Untersuchungssituation nicht an den Tag gelegt hat (s.o.), erhebliche Zweifel daran, dass die Angaben des Klägers zu den Schmerzen den Tatsachen entsprechen. Schließlich gibt es auch sonst keine objektiven Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger an Schmerzen leiden würde, die über das übliche Maß bei den bei ihm vorliegenden Gesundheitsstörungen hinausgehen würden; auffällige Muskeldifferenzen oder andere Zeichen einer schmerzbedingten Schonung (z.B. eine seitenungleiche Fußsohlenbeschwielung, wie sie bei dem vom Kläger demonstrierten pathologischen Gangbild zu erwarten wäre) gibt es nicht.

Auch ist der Vortrag des Klägers, er könne nicht mehr knien, für den Senat nicht nachvollziehbar. Sowohl der Sachverständige M als auch der vom Kläger nach § 109 SGG benannte Sachverständige F haben eine deutliche Beschwielung des Klägers am rechten bzw. im Bereich beider Knie beschrieben, was sich nur dadurch erklären lässt, dass sich der Kläger regelmäßig in kniende Haltung begibt.

Aufgrund der diversen Hinweise und der objektivierten Anknüpfungstatsachen hat sich der Senat daher nicht davon überzeugen können, dass die vom Kläger demonstrierten Beschwerden tatsächlich in dem dafür erforderlichen Vollbeweis vorliegen; der Senat sieht hier zweckgerichtete Verhaltensweisen und Angaben des Klägers, die ihm für die Beschaffung einer ihm tatsächlich nicht zustehenden Verletztenrente hilfreich sein sollen.

Die MdE für die Unfallfolge liegt im gesamten Zeitraum seit Ende der Arbeitsunfähigkeit am 17.01.2024 unter 10 v.H. Die teilweise mit der Unterlage verwachsene Narbe vor der rechten Kniescheibe ruft keine konkreten Funktionseinschränkungen mehr hervor. Dies ergibt sich auch aus den erhobenen Bewegungsmaßen zum rechten Kniegelenk (dazu vgl. unten Ziff. 2.). Wenn der Sachverständige M die MdE für den Zeitraum ab dem Ende der Arbeitsunfähigkeit am 17.01.2014 bis zum 30.04.2014 noch mit 10 v.H. eingeschätzt hat, hält dies der Senat auch bei großzügiger Beurteilung für eine kurze Übergangsphase nicht für überzeugend. Denn am 16.01.2014 ist bei einer Untersuchung des verletzten Knies ein Bewegungsmaß von 0/0/130° festgestellt worden, das nach den Vorgaben der Begutachtungsliteratur eine MdE von 10 v.H. nicht mehr begründen kann (dazu vgl. unten Ziff. 2.).

2. Ganz abgesehen davon, dass nach den vorstehenden Ausführungen zum einen als Unfallfolge nur eine teilweise mit der Unterlage verwachsene Narbe vor der rechten Kniescheibe, von der konkrete Funktionseinschränkungen nicht hervorgerufen werden, anzusehen ist, zum anderen beim Kläger mit dem Knorpeldefekt hinter der Kniescheibe und dem Patellaspitzensyndrom aber durchaus auch unfallfremde Gesundheitsstörungen vorliegen, die gewisse Beschwerden und Einschränkungen im Bereich des rechten Knies erklären können, liegt mit den beim Kläger nachgewiesenen funktionellen (unfallbedingten und unfallfremden) Einschränkungen, wie sie im Wesentlichen in der Einschränkung der Kniegelenksbeweglichkeit zum Ausdruck kommen, kein Zustand vor, der eine MdE von 10 v.H. begründen würde. Dies bedeutet, dass selbst dann, wenn alle nachgewiesenen funktionellen Einschränkungen im Bereich des rechten Knies als unfallbedingt betrachtet würden, was nach den obigen Ausführungen (vgl. Ziff. 1.) gerade nicht der Fall ist, eine MdE von 10 v.H. nicht nachgewiesen wäre.

Die Beurteilung der MdE orientiert sich an den funktionellen Defiziten. Im Bereich des Kniegelenks steht, neben Instabilitäten, die hier nicht im Raum stehen, die Bewegungseinschränkung des Kniegelenks in Streckung und Beugung im Vordergrund. Eine MdE von 10 v.H. setzt nach den von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätzen eine Bewegungseinschränkung voraus, die in Streckung und Beugung 0/0/120° beträgt (vgl. Schönberger, Mehrtens, Valentin, a.a.O., S. 685). Dieser Maßstab ist auch beim Kläger anzulegen. Darauf, dass er in seinem ehemaligen Beruf möglicherweise mehr als in anderen Berufsfeldern (z.B. reine Bürotätigkeiten) durch Kniegelenksbeschwerden beeinträchtigt ist, kommt es wegen des anzulegenden abstrakten Maßstabs bei der Bemessung der MdE - an eine besondere berufliche Betroffenheit i.S.d. § 56 Abs. 2 Satz 3 SGB VII ist in einem Fall wie hier nicht zu denken - nicht an (vgl. BSG, Urteil vom 26.11.1987, 2 RU 22/87).

Dass eine derartige Bewegungseinschränkung (Beweglichkeit 0/0/120° oder weniger) beim Kläger vorliegen würde, ist nicht in dem dafür erforderlichen Vollbeweis nachgewiesen. Folgende Messungen der Kniegelenksbeweglichkeit sind für das rechte Knie seit Januar 2014 erfolgt:

* Beweglichkeit 0/0/130° (Nachschau am 16.01.2014 durch H)

* Beweglichkeit 0/0/130° (Nachschau am 16.07.2014 durch H)

* "keine endgradige Bewegungseinschränkung" (F am 27.05.2015) (die weitere Angabe im Gutachten - "Extension/Flexion 0/0/50°" - kann daher nur einen Schreibfehler darstellen; jedenfalls würde sich auch bei Annahme eines nicht mehr aufklärbaren Widerspruchs nicht der zweifelsfreie Nachweis eines Bewegungsmaßes von 0/0/120° oder weniger führen lassen)

* 0/0/125° (O im Gutachten vom 02.10.2019)

* 10/0/140° (M im Gutachten vom 04.12.2020)

* Beugung auf 110° eingeschränkt, danach erhebliches Gegenspannen, passiv unter Schmerzen könne die Beugung noch um wenige Grade erhöht werden (zweimal im Text des Gutachtens) bzw. rechts: 0/0/100° (im Messblatt des Gutachtens) (F im Gutachten vom 31.05.2021).

Von diesen Messwerten ausgehend ist im Sinne des Vollbeweises, d. h. ohne vernünftige Zweifel, lediglich eine Bewegungseinschränkung nachgewiesen, die nur eine MdE von unter 10 v.H. begründet. Denn ein nur noch mögliches Bewegungsmaß von 0/0/120° oder weniger, wie es für eine MdE von 10 v.H. erforderlich wäre, ist nicht zweifelsfrei nachgewiesen. Ausgehend davon, dass spätestens sechs, wenn nicht schon drei Monate nach dem Unfall ein Endzustand erreicht war, wovon alle Sachverständigen ausgehen, würde sich für die Zeit nach Ende der Arbeitsunfähigkeit am 17.01.2014 aus den vorstehend aufgezeigten Messungen lediglich der Nachweis einer Bewegungseinschränkung in der Beugung, die besser ist als 120°, ergeben. So haben die oben aufgezeigten Messungen überwiegend eine Beweglichkeit von zumindest 130° in der Beugung ergeben.

Das bei der Untersuchung zum Gutachten vom 31.05.2021 von F festgestellte schlechtere Bewegungsmaß hingegen lässt den sicheren Nachweis einer Bewegungseinschränkung in der Beugung auf 120° oder weniger nicht zu. Der Sachverständige F hat in seinem Gutachten zum Bewegungsmaß des rechten Kniegelenks folgende Ausführungen getätigt: Auf S. 4 des Gutachtens hat er angegeben, die Beugung des rechten Kniegelenks sei "auf 110° eingeschränkt, passiv unter Schmerzen kann sie noch um wenige Grade erhöht werden", ebenso dann auf Seite 5 ("Beugeeinschränkung auf 110°"). Im Messblatt hat er auf S. 8 des Gutachtens ein Bewegungsmaß von "0/0/100°" angegeben. Welches der von F angegebenen Bewegungsmaße der von ihm durchgeführten Messung entspricht, ob Schreibfehler vorliegen oder ob unterschiedliche Maße zu aktiven und passiven Bewegungsmaßen gemeint sind, kann dahingestellt bleiben. Denn auch dann, wenn davon ausgegangen würde, dass dieser Sachverständige ein Bewegungsmaß von 0/0/100° bzw. 0/0/110° für das rechte Kniegelenk erhoben hat, würde daraus keine Bewertung der MdE in Höhe von 10 v.H. resultieren. Es kann nämlich nicht im Sinne des Vollbeweises davon ausgegangen werden, dass das vom Sachverständige erhobene Bewegungsmaß von 0/0/100° bzw. 0/0/110° auch der tatsächlich dauerhaft vorliegenden Bewegungseinschränkung entspricht. So hat der Sachverständige selbst auf ein muskuläres Gegenspannen des Klägers bei der Erhebung des Bewegungsmaßes hingewiesen. Eine plausible Begründung dafür, dass dieses muskuläre Gegenspannen unfallbedingten Umständen zuzurechnen wäre, ist weder ersichtlich noch hat der Sachverständige eine solche geliefert; objektive Befunde als Erklärung für das Gegenspannen hat F nicht erhoben. Lediglich die lapidare Angabe des F, dass der Kläger eine Beugung über 110° hinaus "glaubhaft" (S. 6 des Gutachtens) nicht toleriere, ist nicht geeignet, vernünftige Zweifel daran auszuschließen, dass eine Beugung von mehr als 120° nicht im Wesentlichen beschwerdefrei möglich ist. Auch hat F keinen Abgleich mit den bei zuvor erfolgen Untersuchungen erhobenen deutlich besseren Messwerten vorgenommen. Er hat zudem nicht erklärt, wie es innerhalb des halben Jahres zwischen der Begutachtung durch M (mit dem dort festgestellten Bewegungsmaß von 10/0/140°) und seiner eigenen Begutachtung (mit einem Bewegungsmaß von 0/0/100° bzw. 0/0/110°) zu einer recht deutlichen Verschlechterung des Gesundheitszustandes des rechten Knies, wie sie sich aus einem Vergleich der Messwerte (mindestens 30° Grad Differenz) ergibt, gekommen sein sollte. Auch F ist, wie sich aus seiner Bewertung der MdE ergibt, im Übrigen davon ausgegangen, dass der Zustand des Klägers seit dem 01.07.2014 bis heute unverändert ist. Zudem haben die behandelnden Ärzte des Klägers auf Nachfrage des Senats nach den beiden Begutachtungen angegeben, dass sich die Kniegelenksbeschwerden des Klägers seit 2014 sogar gebessert haben (Befundbericht von D, erstellt im April 2022). Eine Veränderung im Sinne einer Verschlechterung der Beweglichkeit zwischen den Begutachtungen von M und F ist daher nicht plausibel. Aber selbst dann, wenn davon ausgegangen würde, dass das von F bei der Begutachtung erhobene Bewegungsmaß an diesem Tag objektiv vorgelegen hätte, ließe sich damit nicht begründen, dass eine Einschränkung der Kniegelenksbeweglichkeit auf 0/0/120°, wie sie für eine MdE von 10 v.H. erforderlich wäre, als Dauerzustand vorliegen würde. Dagegen sprechen die zahlreich erhobenen besseren Bewegungsmaße und auch die Angaben der behandelnden Ärzte, die eine Besserung im Laufe der Zeit beschrieben haben; es kann sich allenfalls um eine kurzfristige und vorübergehende Verschlechterung, nicht aber um einen Dauerzustand handeln. Damit bestehen trotz der Messungen des F erhebliche Zweifel daran, dass die für die MdE relevante dauerhafte Bewegungseinschränkung im rechten Knie des Klägers ein Bewegungsmaß von nur noch 0/0/120° oder weniger erreicht.

Nur der Vollständigkeit halber weist der Senat darauf hin, dass auch der Umstand, dass - nach den Angaben des Klägers - der Gutachter F im Gegensatz zu M, der das Bewegungsmaß lediglich geschätzt habe, für die Messung Messinstrumente benutzt habe, weder für einen erhöhten Beweiswert der Angaben des F spricht noch Anlass für weitere Ermittlungen gibt. Zum einen ist davon auszugehen, dass erfahrene Untersucher - wie der Gerichtssachverständige M - bei regelmäßiger Anwendung eine Winkelbeurteilungsgenauigkeit durch Schätzung erreichen können, die die Messgenauigkeit wenig erfahrener Untersucher mittels Messinstrumenten übertrifft (vgl. Schiltenwolf, Hollo, Gaidzik, Begutachtung der Haltungs- und Bewegungsorgane, 7. Auflage 2021, S. 285 - m.w.N.). Zum anderen dokumentieren die Messungen des F auch nicht den objektiv vorliegenden Zustand, sondern nur das Bewegungsmaß, das der Kläger bei der Untersuchung im Rahmen seines muskulären Gegenspannens zugelassen/demonstriert hat, also einen Bewegungsumfang, der für die Bewertung der MdE ohnehin nicht maßgeblich ist (vgl. oben).

Irgendwelche objektiven Befunde, die auf eine größere Funktionsbeeinträchtigung, als sie den nachgewiesenen Bewegungsmaßen entspricht (s.o.), hindeuten würden, gibt es nicht. Beim Kläger ist regelmäßig beschrieben worden, dass kein Erguss vorliegt, die Narbe nicht entzündet und im Wesentlichen reizlos ist; relevante Muskelminderungen auf der verletzten Seite lagen und liegen nicht vor. Im Übrigen deuten die von beiden Sachverständigen festgestellten Beschwielungen auch am verletzten Knie darauf hin, dass der Kläger - entgegen seinen Behauptungen - sehr wohl knien kann und dies auch regelmäßig tut. Auch ist beim Kläger ein chronisches Schmerzsyndrom, das auf den Unfall und die Operationen zurückzuführen sein könnte, nicht im Sinne des Vollbeweises nachgewiesen. Daran ändert auch die Annahme des F, ein solches Schmerzsyndrom liege vor, nichts. Die Vermutung eines chronischen Schmerzsyndroms - unabhängig von der Ursache - ist schon deshalb nicht nachvollziehbar, weil dafür keine weitergehenden Befunde vorliegen; der Kläger hat lediglich angegeben, wöchentlich Ibuprofen zu nehmen. Irgendwelche weiteren therapeutischen Maßnahmen zur Behandlung eines potentiellen Schmerzsyndroms hat es nicht gegeben. Schmerzen, die über das übliche Maß hinausgehen und daher nicht in der nach den Richtwerten vorgesehenen MdE enthalten sind, sind daher nicht im Sinne des Vollbeweises nachgewiesen.

Der beim Kläger vorliegende Zustand im Bereich des rechten Knies ist daher, ohne zwischen Unfallfolgen und unfallfremden Gesundheitsstörungen zu differenzieren, für den gesamten Zeitraum nach Ende der Arbeitsunfähigkeit im Januar 2014 mit einer MdE von unter 10 v.H. zu bewerten. Erst recht lässt sich keine MdE von 10 v.H. aufgrund von Unfallfolgen begründen.

3. Der Senat konnte entscheiden, ohne zuvor nochmals den Gutachter F zu hören.

* Eine erneute Begutachtung nach § 109 SGG war nicht durchzuführen. Das Recht aus § 109 SGG ist mit der Einholung des Gutachtens bei F im erstinstanzlichen Verfahren verbraucht (ständige Rspr., vgl. z.B. BSG, Beschluss vom 06.05.1958, 10 RV 813/56, und Urteil vom 14.05.1991, 5 RJ 32/90). Besondere Umstände, die ausnahmsweise das Recht auf ein weiteres Gutachten nach § 109 SGG begründen würden (vgl. z.B. BSG, Beschluss vom 06.05.1958, 10 RV 813/56, und Urteil vom 24.03.1961, 10 RV 1139/59), liegen nicht vor. Auch muss bei Mängeln im Gutachten gemäß § 109 SGG dem Sachverständigen nicht die Gelegenheit zur Nachbesserung gegeben werden (vgl. auch BSG, Beschluss vom 17.04.1974, 2 RU 33/74).

* Das in vorbereitenden Schriftsätzen vor der mündlichen Verhandlung geltend gemachte Fragerecht des Klägers aus §§ 116 Satz 2, 118 Abs. 1 SGG i.V.m. §§ 397, 402, 411 Abs. 4 Zivilprozessordnung - ZPO -, § 62 SGG, das Ausfluss des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs ist, hat der Bevollmächtigte des Klägers in der mündlichen Verhandlung am 19.04.2023 nicht mehr geltend gemacht; er hat in der mündlichen Verhandlung keinen entsprechenden Antrag gestellt, sondern nur den Sachantrag. Schon aus diesem Grund resultiert aus dem Fragerecht des Klägers kein Anspruch darauf, F nochmals zu hören. Denn der Bevollmächtigte hätte als anwaltlicher und damit rechtskundiger Vertreter den zuvor schriftsätzlich gestellten Antrag auf Befragung des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung - zumindest hilfsweise - stellen müssen (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 19.02.1992, 1 BvR 1935/91; BSG, Beschlüsse vom 23.06.1998, B 9 V 31/98 B, vom 30.06.1998, B 10 AL 8/98 B, und vom 03.03.1999, B 9 VJ 1/98 B; Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 26.06.1975, VI B 4.75)

Im Übrigen wäre auch bei ordnungsgemäßer Beantragung einer Befragung des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung dieser nicht nochmals zu befragen gewesen. Denn das Fragerecht aus §§ 116 Satz 2, 118 Abs. 1 SGG i.V.m. §§ 397, 402, 411 Abs. 4 ZPO, § 62 SGG besteht nur in der Instanz, in der das Gutachten erstellt worden ist (vgl. BSG, Beschlüsse vom 03.03.1999, B 9 VJ 1/98 B, und vom 12.10.2017, B 9 V 32/17 B), was ein Wiederaufleben in der nächsten Instanz ausschließt (vgl. Bundesgerichtshof, Urteil vom 20.09.1961, V ZR 46/60).

Ein Fortbestand des Fragerechts über die Instanz hinaus wäre nur dann gegeben, wenn das Fragerecht in der Vorinstanz vom SG in verfahrensrechtlich unzulässiger Weise übergangen worden wäre. Dies war aber vorliegend nicht der Fall. Der Bevollmächtigte des Klägers hatte nämlich ausweislich des Protokolls zur mündlichen Verhandlung vor dem SG am 26.10.2021 dort nicht - wie dies zur Geltendmachung des Fragerechts erforderlich gewesen wäre - die Befragung des Sachverständigen F beantragt, sondern lediglich weitere Ermittlungen durch die Befragung des Sachverständigen angeregt ("Der Klägerbevollmächtigte gibt daraufhin zu bedenken, ..." - S. 2 des Protokolls). Bei seiner Antragstellung findet sich diese Anregung nicht wieder. Das SG hat daher keinen Antrag des Klägers im Rahmen seines Fragerechts übergangen.

* Schließlich hat der Senat auch keinen Anlass gesehen, den Sachverständigen von Amts wegen zur Erläuterung seines Gutachtens nach § 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 411 Abs. 3 ZPO anzuhören. Ganz abgesehen davon, dass sich der Senat bei seiner Entscheidung ohnehin nicht auf das Gutachten des F stützt, es auf dieses Gutachten gar nicht ankommt und schon daher ein Grund für eine Erläuterung nicht bestehen kann (vgl. BSG, Beschluss vom 03.03.1999, B 9 VJ 1/98 B), sind auch keine irrigen tatsächlichen Annahmen, Lücken oder Widersprüche im schriftlichen Gutachten des F ersichtlich, die eine Erläuterung erforderlich machen könnten (vgl. BSG, Urteile vom 27.06.1984, 9b RU 48/83, und vom 16.01.1986, 4b RV 27/85). Auch der klägerische Vortrag, wegen der Abweichungen der Messwerte zur Kniegelenksbeweglichkeit in den Gutachten nach § 106 SGG einerseits und § 109 SGG andererseits und wegen vermeintlicher Messfehler sei F zu befragen, zeigt keinen Erläuterungsbedarf auf. Auf die obigen Ausführungen unter Ziff. 2 betreffend die unterschiedlichen Bewegungsmaße wird verwiesen. Gleiches gilt für ein im Raum stehendes Schmerzsyndrom. Die Tatsache allein, dass sich der Senat der Einschätzung des Sachverständigen F nicht anschließt, ist jedenfalls kein ausreichender Grund, den Sachverständigen vorzuladen und sein Gutachten erläutern zu lassen (vgl. BSG, Urteil vom 16.01.1986, 4b RV 27/85).

Die Berufung hat daher keinen Erfolg.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).

eingereicht von P. Becker, Kassel