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Psychische Belastungen unbegleiteter junger Flüchtlinge sind hoch

Pubertät und Adoleszenz stellen für Jugendliche eine Herausforderung dar. Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge müssen diese Entwicklungsaufgabe außerdem in einem belastenden Umfeld und ohne familiäre Unterstützung bewältigen. „Traumatische Erfahrungen und ihre ungewisse Zukunft belasten sie zusätzlich“, sagt Dr. rer. med. Susan Sierau von der Abteilung für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie der Universität Leipzig. Um zu untersuchen, wie häufig psychische Auffälligkeiten bei jungen Geflüchteten sind, hat die Leipziger Diplom-Psychologin gemeinsam mit Kollegen 105 unbegleitete Flüchtlinge im Alter zwischen 14 und 19 Jahren befragt. Auch deren Betreuer in den jeweiligen Jugendhilfeeinrichtungen wurden gebeten, Angaben zu Verhaltensauffälligkeiten, posttraumatischen Belastungsstörungen, Hyperaktivität oder anderen Auffälligkeiten ihrer Schützlinge zu machen.

Die jungen Flüchtlinge berichteten im Durchschnitt von drei traumatischen Ereignissen, die sie durchlebt hatten. Mehr als die Hälfte gab an, schon einem gewalttätigen Angriff ausgesetzt gewesen zu sein, 42 Prozent einem Angriff mit einer Waffe. Jeweils ein Drittel der Befragten hatte schon Kampfhandlungen, Feuer oder Explosionen erlebt, jeder Sechste Gefangenschaft oder Geiselnahme.

Diese Erlebnisse blieben nicht ohne Folgen für die Psyche der jungen Geflüchteten. Knapp 60 Prozent wiesen mäßige bis sehr starke psychische Auffälligkeiten auf. 42 Prozent berichteten über depressive Symptome, 35 Prozent gaben an, Verhaltensprobleme zum Beispiel im Umgang mit Gleichaltrigen zu haben und 32 Prozent berichteten über Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung. Rund ein Viertel der Befragten litt außerdem an generalisierter Angst.

Während die Fremdeinschätzung durch die Betreuer mit der Selbsteinschätzung der Geflüchteten in Bezug auf die posttraumatische Belastung weitgehend übereinstimmte, zeigten sich bei der Wahrnehmung des Verhaltens deutliche Unterschiede. „Die Betreuer sahen mehr Probleme in den Bereichen Emotion, Verhalten und Hyperaktivität als die Geflüchteten selbst“, so Studienleiterin Sierau. Für die Jugendlichen selbst hätten dagegen Probleme mit Gleichaltrigen im Vordergrund gestanden. Die Expertin vermutet, dass die Jugendlichen auch ihre Kontakte außerhalb der Wohngruppe bewertet haben, während die Betreuer nur die Situation innerhalb im Blick hatten.

Wie eine nach Altersgruppen getrennte Analyse ergab, hatten die volljährigen und die minderjährigen Teilnehmer gleichermaßen mit psychischen Problemen zu kämpfen. „Der Gesetzgeber behandelt Personen unter 18 Jahren jedoch anders als junge Erwachsene zwischen 18 und 21 Jahren. Für Letztere ist eine Unterstützung über das Jugendhilfesystem nur in begründeten Fällen bis 21 Jahre möglich“, sagt Sierau. Angesichts der Ergebnisse scheinen Interventionen jedoch für die gesamte Gruppe dringend geboten, so die Autoren.

Susan Sierau et al.:
Psychische Belastung bei unbegleiteten jungen Geflüchteten in Jugendhilfeeinrichtungen
Psychiatrische Praxis 2019; 46 (3); S. 135–140

Pressemitteilung Thieme.de

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