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Neugier als entscheidender Faktor

Einleitung und Problemstellung

Gesellschaft und Wirtschaft, und dabei nicht nur multinational agierende Unternehmen wie das Wissenschafts- und Technologieunternehmen Merck, stehen aufgrund von Megatrends wie Globalisierung, Disruption der Ökonomie, Digitalisierung und Ressourcenverknappung vor großen Herausforderungen. Gerade Deutschland als ein Land ohne Bodenschätze und Massenprodukte ist auf technologischen Vorsprung seiner Produkte sowie Dienstleistungen und daher auf Kreativität und Agilität seiner Unternehmen zwingend angewiesen, um auch in Zukunft erfolgreich in den Weltmärkten bestehen zu können. Dies bedingt Veränderungen der Arbeitswelt, die für die berufliche Bildung als ein in die Zukunft und deren Standards hinarbeitender Bereich ein strategisches Thema darstellen.

Berufliche Bildung ist somit auch mit neuen, bislang unbekannten Herausforderungen konfrontiert, zu denen es keine normierten Lösungsstrategien aus den vorhandenen Instrumentarien gibt.

Veränderungen der Arbeitswelt

Die Arbeitswelt unterliegt aktuell starken disruptiven Veränderungen. Wie im Modell der „VUCA-World“ dargestellt, werden die Rahmenbedingungen unbeständiger (volatility), unsicherer (uncertainty), komplexer (complexity) und mehrdeutiger (ambiguity). Tradierte Grundkompetenzen, wie einmal Gelerntes immer wieder gleichermaßen anzuwenden, werden nicht vollständig ersetzt und bedeutungslos - aber für die zukünftigen Herausforderungen werden neue Kompetenzen und eine veränderte innere Haltung benötigt, die es den Menschen ermöglicht, ihr Leben sinnhaft und durch das richtige Maß an Resilienz nachhaltig gesund zu gestalten.

Abb. 2:  21th Century Skills (nach Bailey 2015)

Abb. 2: 21th Century Skills (nach Bailey 2015)

Auf diese globalen Veränderungen und Trends reagierten auch die Vereinten Nationen und verabschiedeten 2016 mit den Sustainable Development Goals 17 Ziele für eine nachhaltige Entwicklung, die bis 2030 erreicht werden sollen (➥ Abb. 1).

Zur Erreichung dieser Ziele sowie für die Bewältigung der aktuellen, viel mehr aber noch zukünftiger Herausforderungen, werden neue Kompetenzprofile benötigt. Aktuelle Analysen zukünftig benötigter Fähigkeiten zeigen, dass speziell „Metaskills“ wie Neugier, Kreativität, Kollaboration, Kommunikation und „Cross-border-Denken“ entscheidend sein und somit für das Persönlichkeitsprofil der Belegschaften in Unternehmen bestimmend werden.

Eine erste Zusammenfassung dieser Kompetenzen, die neben dem betriebsspezifischen Wissen von besonderer Relevanz für Unternehmen sind, findet sich im Modell der „21st Century Skills“ (➥ Abb. 2 ), das erstmals von der Boston Consulting Group auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos im Jahr 2015 vorgestellt wurde (Bailey et al. 2015).

Hier werden die vier zu fördernden Kernkompetenzen, die vier „C“ (Critical Thinking, Communication, Collaboration und Creativity), in die drei traditionellen Kernfähigkeiten, die drei „R“ (Reading, Writing, Arithmetic) eingebettet. Es fällt hierbei der enge Bezug zur beruflichen Handlungskompetenz und deren Dimensionen auf, nämlich Fach-, Methoden-, Sozial- und Selbstkompetenz.

Die berufliche Aus- und Weiterbildung im hier beschriebenen Wissenschafts- und Technologieunternehmen muss daher neue Wege gehen, um sowohl in der Personalauswahl der Auszubildenden wie in deren Ausbildung die zukünftig entscheidenden Kompetenzen des 21. Jahrhunderts zu identifizieren, zu adaptieren und zu fördern.

Veränderung in Lernprozessen

In Zukunft werden in zukunftsorientierten und innovativen Unternehmen immer stärker kreative, teamorientierte und ergebnisorientierte Arbeitsprozesse gefragt sein. Von daher werden – anstelle reiner pflichterfüllender Personen und Einzelkämpferinnen und -kämpfer – Beschäftigte benötigt, die es schaffen, bestehendes Wissen mit neuen Erkenntnissen in der richtigen Tiefe zu verknüpfen und in diversifizierten Teams Neues zu entwickeln. Die Bereitschaft zur konstruktiven Auseinandersetzung in diesen Teams, die möglichst viele Perspektiven abbilden, ist dabei eine wichtige Säule und muss aktiv praktiziert werden. Gemäß der in ➥ Abb. 3 dargestellten erweiterten Vier-Stufen-Theorie der Pädagogik (Wissen, Verstehen, Anwenden, Probleme lösen) wird aber ersichtlich, dass Wissen und selbst Können nicht ausreichen. Die zur konstruktiven Auseinandersetzung mit etwas Neuem erforderliche Handlungskompetenz ergibt sich aus der Motivation, Können in einer Handlung aktiv umzusetzen und das resultierende Handeln effektiv und zielgerichtet einzusetzen.

Abb. 3:  Kompetenztreppe nach North (eigene Darstellung)

Abb. 3: Kompetenztreppe nach North (eigene Darstellung)

In der Ausbildungspraxis fällt auf, dass Lernende zwar einzelne Sachverhalte wissen und verstanden haben, es ihnen aber oft nicht gelingt, das Wissen auf neue Probleme anzuwenden, geschweige denn, diese Probleme zu lösen. Dies bedeutet, dass in vielen Fällen die letzten vier Stufen eingeschränkt oder gar nicht erklommen werden.

Die vorhandenen, eher tayloristisch orientierten Ausbildungssysteme entwickeln aktuell bevorzugt noch die Fähigkeiten, die weniger zur kreativen Lösung von Problemen als vielmehr zur standardisierten Erfüllung vorgegebener Aufgaben und Prozesse benötigt werden. Dies wird durch das aktuell vorherrschende Prinzip gefördert, nach dem Abschluss von Bildungsabschnitten die erworbenen Fähigkeiten und das Wissen in Prüfungssituationen zu rekapitulieren. Um wirklich den Kompetenzzuwachs im oben genannten Sinne beurteilen zu können, braucht es jedoch Prüfungsformen, die es erlauben, die erlernten Sachverhalte neu anzuordnen, mit Neuem in Verbindung zu bringen sowie die eigenen weiter entwickelten Kompetenzen so zielgerichtet anzuwenden, dass etwas Neues entsteht.

Die für die neuen Arbeitswelten entscheidenden Fähigkeiten und der Wille zur lebenslangen Weiterentwicklung muss durch positive Lernerfahrungen und selbst gesteuerte Überprüfungsmöglichkeiten des eigenen, persönlichen Kompetenzerwerbs als Selbstverständlichkeit angelegt werden. Die damit einhergehende Anforderung an kontinuierliche Anpassung und Weiterentwicklung der eigenen beruflichen Handlungskompetenz bedingt auch die lebenslange, eigenverantwortliche Weiterentwicklung des eigenen Wissens sowie der eigenen Fähigkeiten.

Neugier als entscheidender Faktor

In Bereichen der Forschung und Entwicklung sowie in Wissenschaft und Technologie ist ein Großteil des heute erlangten Wissens in wenigen Jahren überholt und muss stetig weiter ausgebaut, erneuert und verknüpft werden. Wie in der Einleitung dargestellt, sind daher für forschungs-, technologie- und innovationsgetriebene Unternehmen insbesondere die vier „C“ die Grundlage für die Exploration und das Finden neuer Produkte. Interdisziplinarität, Offenheit, Mut, Autonomie des Denkens und vorurteilsfreie Urteilskraft sind hierzu besonders förderliche persönliche Merkmale.

Eine für all diese förderlichen Merkmale und Kompetenzen unabdingbare Basis ist die berufliche epistemische Neugier. Es ist die Neugier im positiven Sinne, die sich durch Freude am Entdecken und am Erweitern von Erkenntnissen und Einsichten beschreiben lässt.

Im Gegensatz zur diversen perzeptiven Neugier – die sich vereinfacht formuliert auf reinen Informationsgewinn (Gaffen, Spionieren), aber nicht auch auf Wissenszuwachs fokussiert –, ist die epistemische Neugier nicht nur relevant bei der Entwicklung von innovativen Produkten oder Problemlösungen, sie ist auch Voraussetzung für ein erfülltes, sinnstiftendes Leben.

So schneiden Kinder, die über eine überdurchschnittliche epistemische Neugier verfügen, in Intelligenztests um 12 Punkte höher ab. Erwachsene sind gewissenhafter und ausdauernder, haben im statistischen Mittel mehr positive soziale Erlebnisse und sind erfolgreicher. Menschen zwischen 60 und 86 Jahren schenkt sie ein Plus von bis zu 12% an Lebensjahren (Naughton 2018).

Daher muss grundsätzlich der Neugier, die in allen Menschen von Geburt an in unterschiedlichem Maße angelegt ist, mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden. Neugier ist speziell im kindlichen und jugendlichen Alter die zentrale Ursache für Wissenserwerb und muss von klein auf intensiv spezifisch gefördert werden, anstatt sie zu unterdrücken, wie dies in vielen Bildungssystemen – auch in Ausbildungssystemen – immer noch geschieht. Folglich bedarf es eines Paradigmenwechsels: in Schulen wie auch in Studiengängen und bei der beruflichen Aus- und Weiterbildung.

Eine im Unternehmen hierzu aktuell in Entwicklung befindliche Maßnahme ist die Berücksichtigung von Neugier in seinen vier Dimensionen als Persönlichkeitsfaktor in der Personalauswahl.

Diese Dimensionen der Neugier sind (Merck Neugier-Studie 2018, s. „Weitere Infos“):

  • Joyous Exploration – Entdeckerfreude:
    Es macht der Person großen Spaß, sich neues Wissen und neue Informationen bei der Arbeit anzueignen, daraus entsteht Freude am Lernen und am Wachsen.
  • Distress Tolerance – Anspannungstoleranz: Die Person ist bereit, sich den Unruhen und dem Unbehagen zu stellen, die beim Erkunden des Neuen, Unbekannten und Unsicheren entstehen.
  • Deprivation Sensitivity – Antrieb durch Wissenslücken: Die Person erkennt eine Wissenslücke und sinniert über abstrakte oder komplexe Möglichkeiten, das Problem zu lösen und die Lücke zu schließen (Gefühl der Erleichterung nach der Lösung).
  • Openness to People’s Ideas – Offenheit für die Ideen anderer: Die Person schätzt unterschiedliche Perspektiven und Ideen anderer und strebt bewusst nach anderen Lösungsansätzen.
  • Anpassung des Einstellungs­prozesses in der Berufsausbildung

    Aufgrund der Erkenntnisse bezüglich der sich verändernden Arbeitswelt wird das Einstellungsprozedere des Ausbildungsbereichs im Unternehmen an die sich aus dem Kontext Neugier ergebenden Erfordernisse angepasst werden.

    Im Auswahlprozess der Auszubildenden eines Wissenschafts- und Technologieunternehmens spielen neben den fachlichen Neigungen und Kenntnissen andere berufsspezifische Persönlichkeitsmerkmale eine zunehmend wichtige Rolle: beispielsweise Teamverhalten, Resilienz, Gewissenhaftigkeit, Selbstwirksamkeitserwartung, Leistungsmotivation und Externalität, aber eben auch die vier Dimensionen der Neugier. Für das eigene Online-Testverfahren wurden daher auf die Kompetenzprofile der zukünftigen Auszubildenden und damit langfristig zukünftigen Beschäftigten des Unternehmens zugeschnittene spezifische Indikatrizes1 entwickelt und zu Testbatterien zusammengeführt. Diese sollen es ermöglichen, die dem jeweiligen Ausbildungsberufsbild zugehörigen kritischen Persönlichkeitsaspekte zu prüfen und als Basis für das folgende Einstellungsgespräch aufzubereiten. Über die somit zielgerichteteren Einstellungsgespräche kann persönlicher und besser auf die Bewerberinnen und Bewerber eingegangen werden. Das soll letztlich eine bessere und individuellere Vorhersage des Ausbildungserfolgs erlauben als das oft praktizierte Abfragen von Faktenwissen und Berufsmotivation.

    Abb. 4:  Realanlage (links) und bedienbares VR-Abbild (rechts) einer Ausbildungsanlage in der produktionstechnischen Ausbildung von Merck

    Foto: Merck

    Abb. 4: Realanlage (links) und bedienbares VR-Abbild (rechts) einer Ausbildungsanlage in der produktionstechnischen Ausbildung von Merck

    Anpassung von Lernprozessen in der Berufsausbildung

    Nach Auswahl der passenden neugierigen Persönlichkeiten im Einstellungsprozess müssen diese in den Ausbildungsgängen entsprechend gefordert und gefördert werden, um sie auf die zukünftige Arbeitswelt vorzubereiten.

    Hierbei müssen die Lernenden selbst im Zentrum stehen und dazu animiert werden, von sich aus intrinsisch die richtigen Fragen zu stellen, anstatt Fragen des Lehrenden auf Basis der Vorlesungen zu beantworten. Positive Ansätze für die Entwicklung der Neugier und die Manifestierung von positiven Lernerfahrungen ist zum Beispiel das schulische Prinzip der Lernbüros, wie es seit Beginn des 21. Jahrhunderts neben den Fächern „Herausforderung“ und „Verantwortung“ sehr erfolgreich an der Evangelischen Schule Berlin Zentrum unter der Leitung von Margret Rasfeld und dem angeschlossenen Education Innovation Lab entwickelt und seit einigen Jahren erfolgreich im Verbund „Schule im Aufbruch“ angewendet wird.

    Diese positiven Ansätze werden in der beruflichen Ausbildung im Unternehmen aufgegriffen und die entsprechenden Methoden – Auszubildende lernen durch Mentorinnen und Mentoren begleitet in ihrem eigenen Tempo und bestimmen eigenverantwortlich den Prüfungszeitraum – adaptiert. Dies geschieht beispielsweise in der „Lernreise Qualitätsmanagement“. In diesem Format, das sich für die Auszubildenden und dualen Studierenden über die gesamte Ausbildungszeit erstreckt, erarbeiten sich die Lernenden, betreut von fachlichen Tutorinnen und Tutoren sowie persönlichen Mentorinnen und Mentoren, selbstständig und in ihrem individuellen Lerntempo den gesamten Inhalt des komplexen Qualitätsmanagements in der chemisch-pharmazeutischen Industrie mit all ihren statistischen Grundlagen und gesetzlichen Regelwerken. Die zugehörigen Prüfungen werden zu gemeinsam festgelegten Terminen abgelegt.

    Die Erfahrungen der letzten fünf Jahre haben gezeigt, dass durch diese Methode zum einen das Faktenwissen durch die Behandlung im sinnhaften Kontext tiefer verankert wird und zum anderen die Inhalte auf neue Fragestellungen im täglichen Arbeitsablauf sinnhafter angewendet werden können.

    Eine weitere dazu in der Berufsausbildung des Unternehmens erfolgreich eingesetzte Methode ist die so genannte „Question-Formulation-Technique“. Gemäß einem Zitat von Isaac Asimov ist der wichtigste Satz eines neugierigen Menschen sinngemäß nicht „Heureka, ich hab´s gefunden“, sondern „Hm, das ist komisch, da muss ich nachschauen“ (Zitat aus dem Englischen aus BMJ 2016, 353). Er beschreibt die Basis jeder neuen Entwicklung und ermöglicht den Wissenserwerb, der zur Beantwortung der Fragen auf dem Weg zur Problemlösung unerlässlich ist.

    Die Lernenden können durch die Beteiligung an der Entwicklung neuer Technologien und den Einsatz von durch digitale Medien ermöglichtem Material zum selbstverantwortlichen Entwickeln der eigenen Fähigkeiten wachsen. Sie sammeln so positive Lernerfahrungen – eine grundlegende Voraussetzung für lebenslanges Lernen.

    Ein Beispiel aus dem Wissenschafts- und Technologieunternehmen für den Einsatz solcher mit den Lernenden entwickelten Tools ist beispielweise „AzuPedia“, ein internes Online-Lexikon, das von Lernenden gefüllt und auf faktische Richtigkeit überprüft wird. Es ist nicht nur Nachschlagewerk, sondern gibt auch positive Impulse in Sachen vorbehaltlosem Teilen von Wissen. Des Weiteren werden „Prüfungsquizze“ eingesetzt: interne, auf Smartphones laufende Online-Quizze, die von den Lernenden selbst gepflegt werden und zur Vorbereitung auf Prüfungen dienen.

    Ein drittes Beispiel ist der aktive Einsatz von VR/AR(Virtual und Augmented Reality)-Methoden in der Ausbildung. Die beobachtete intrinsische Neugier der jungen Auszubildenden gegenüber dieser oft aus dem spielerischen Kontext bereits bekannten Technologien erlaubt es – wie im virtuellen Spiel – Erfahrungen ohne zunächst reale negative Konsequenz zu sammeln. So wurde im Unternehmen eine Ausbildungsanlage für die chemische Prozesstechnik virtuell abgebildet, mit der die Auszubildenden essenzielle sicherheitstechnisch relevante Arbeitsschritte üben können, ohne dass bei Fehlbedienung eine reale Gefährdungslage eintritt. Die parallel eingesetzte moderne Technologie fördert zusätzlich die Neugier, sich partizipativ mit der Erarbeitung des Prozesses und dem Medium auseinander zu setzen.

    Wichtig bleibt bei diesen Methoden aber weiterhin die Beziehungsebene der Lehrenden zu den Lernenden, die ein entscheidender Schlüssel zum Erfolg ist. Auf diese soll im letzten Abschnitt eingegangen
    werden.

    Veränderung bei bildendem Personal in der Berufsausbildung

    Aus den im Vorherigen aufgeführten Herausforderungen und Aktivitäten ergeben sich übergeordnet Anforderungsprofile an die Zukunft der beruflichen Bildung, um die Neugier der Bildungsnehmenden nachhaltig zu fördern.

    So muss Neugier fördernde Bildung sinnhaft sein; die Förderung von Inspiration und Motivation der Lernenden werden entscheidende Fähigkeiten der Lehrenden. Die Lehrenden müssen daher über die eigene Vorbildfunktion, Begeisterung und innere Haltung die Lernenden motivieren, inspirieren und neugierig machen. Folglich wird das Ausbildungspersonal befähigt, sich neben der Vermittlung von fachlichen Inhalten und Gestaltung des Lernumfeldes auch in der normativen Bewahrung, dem Change-Management, dem Coaching, der Personalentwicklung und dem Neugier-Enabling zu betätigen.

    Weiterhin muss Neugier fördernde Bildung zukunftsorientiert und innovativ sein. Folglich werden modulare wie vernetzte Arbeits- und Lernformen eine stetig wachsende Rolle einnehmen. Dies bedingt, dass Lernende zu Lehrenden werden und umgekehrt. Das in der Vergangenheit oft gelebte Konsumentenverhalten der Lernenden wird durch deren Neugier, Produktivität und Kreativität ersetzt werden. Eine digitale Lernkultur neben der weiterhin bedeutenden analogen Lernkultur muss vom bildenden Personal aktiv gelebt werden. Die Gefahr der Digitalisierung ist der Erwerb von Wissen ohne Tiefgang; hier muss aktiv durch Methoden des aktivierenden Lernens gegengesteuert werden. Nur durch die entsprechende Tiefe, die durch die Beschäftigung mit Sachverhalten entsteht, kann bestehendes Wissen zu Neuem verknüpft werden. Dies wird durch Prozesse wie der oben beschriebenen Lernreise aktiv gefördert. Auch werden aktuell getrennte Fachinhalte zu neuen Profilen verschmelzen oder vorhandene Profile ergänzen. So wurde in der Ausbildung des Unternehmens das neue Berufsbild der/des Produktionstechnologin/-technologen an der Schnittstelle zwischen Technik und chemisch-pharmazeutischer Produktion aktiv eingeführt.

    Letztlich muss Neugier fördernde Bildung gemeinschaftlich sein, da Faktenwissen mehr und mehr durch Verständnis, Transfer und Teilen desselben ersetzt wird. Da Wissen Gemeingut ist, nimmt das gemeinschaftliche Interesse an der Erkundung des Unbekannten, die Neugier, an Bedeutung zu. Das richtige Verständnis, die kontextorientierte Bewertung und Vernetzung von Fakten zur Problemlösung sowie zum zielgerichteten Betreten neuen Terrains werden entscheidende Kompetenzen. Fachübergreifende Projektaktivitäten oder TED-(Tele-Dialog-)Talks der Auszubildenden fördern diese Fähigkeit zu fachübergreifender beidseitiger Kommunikations- und Kollaborationsfähigkeit wie Verständnis und Denken – bei Lehrenden wie bei Lernenden.

    Fazit

    Die Veränderung in der Arbeitswelt bedingt ein hohes Maß an notwendigen Veränderungen in der beruflichen Bildung – sowohl in den zu vermittelnden Kompetenzen als auch an den zugehörigen Methoden. Neugier ist eine wichtige persönliche Eigenschaft, um in einem Umfeld veränderter Metaskills wie der Kollaboration und Kreativität erfolgreich agieren zu können. Von daher sind die Prozesse in der Personalauswahl und Personalentwicklung innerhalb der Ausbildung zu adaptieren. Die Implementierung von geeigneten Persönlichkeitsassessments, der Einsatz von Bildungsmethoden wie Lernreisen oder projektorientierten Ausbildungsgängen und eine Veränderung im Selbstverständnis des bildenden Personals fördern die erforderliche Neugierkultur.

    Interessenkonflikt: Die Autoren sind bei der Merck KGaA beschäftigt. Interessenkonflikte liegen nicht vor.

    Literatur

    Naughton C: Neugier. Sonderausgabe Merck. Berlin: Econ/Ullstein, 2018.

    Weitere Infos

    Bailey A, Kauffmann B, Subotic S: Education Technology and the 21st century skill gap. 2015
    https://www.bcg.com/de-de/publications/2015/public-sector-education-tec…

    Merck: Seien Sie neugierig. Neugier-Studie 2018
    https://www.merckgroup.com/company/de/Merck-Neugier-Studie-2018.pdf

    Kernaussagen

  • Die Veränderung in der Arbeitswelt bedingt ein hohes Maß an notwendigen Veränderungen in der beruflichen Bildung.
  • Neugier ist eine wichtige persönliche Eigenschaft, um in einem Umfeld veränderter ­Metaskills erfolgreich agieren zu können. Daher sind die Prozesse in der Personalauswahl und Personalentwicklung in der Ausbildung zu adaptieren.
  • Die Implementierung von geeigneten Persönlichkeitsassessments, der Einsatz von alter­nativen Bildungsmethoden und ein verändertes Selbstverständnis des bildenden Personals fördern eine entsprechende Neugierkultur.
  • Kontakt

    Uwe Ohl
    Merck KGaA; Aus- und Fortbildung; Frankfurter Straße 250; 64293 Darmstadt

    Foto: Merck

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