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Editorial

Die Diagnose taucht in immer mehr Berichten auf, der allgemeine Eindruck im täglichen Umgang mit Patienten drängt sich jedem Untersucher auf: die Häufigkeit wirklich adipöser Menschen nimmt auffallend zu. Die Zahl der übergewichtigen Menschen mag im letzten Jahrzehnt in etwa konstant geblieben sein, aber die Prävalenz von Adipositas hat kontinuierlich zugenommen, dies besonders unter jungen Menschen (Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland, Bundesgesundheitsblatt 5/6 2013). Deutschland liegt dabei im europäischen Mittelfeld, 67 % der Männer und 53 % der Frauen sind übergewichtig, 23 % der Männer und der Frauen wirklich adipös. Die herausgehobene Zunahme bei Jugendlichen hat aktuell die British Medical Association nach einer besonderen Besteuerung stark zuckerhaltiger Getränke und einer besseren Kennzeichnung der in verpackten Lebensmitteln enthaltenen Kalorienzahl rufen lassen.

Es war damit ohne Frage zu erwarten, dass mit der Adipositas verbundene Beurteilungsprobleme auch in der Gutachtenmedizin Aufmerksamkeit auf sich ziehen würden. Nicht allein in der Beurteilung der bekannten Folgekrankheiten der Adipositas wie Diabetes mellitus und Herz-Kreislauferkrankungen (wobei auch für bestimmte Krebserkrankungen wie Pankreas-, Kolon-, Nieren-, Brust- und Gebärmutterhalskrebs bei adipösen Menschen ein erhöhtes Risiko besteht), sondern auch in den unmittelbaren Auswirkungen des massiv erhöhten Körpergewichts für sich allein etwa auf die Leistungsfähigkeit im Erwerbsleben (SGB VI), als Teilhabestörung am gesellschaftlichen Leben (SGB IX) und auch hinsichtlich von Therapieverfahren (SGB V).

Die in dieser Ausgabe der Zeitschrift wiedergegebenen ersten vier Beiträge beschäftigen sich mit diesem „Begutachtungsproblem Adipositas“, ihre Inhalte waren Gegenstand von Vorträgen auf dem letzten Heidelberger Gespräch 2014. Nach einem sozialmedizinischen Überblick über das Thema von A. Weber findet sich zum Streitpunkt der Übernahme von Kosten für eine bariatrische Chirurgie ein Beitrag von Werner aus Sicht eines Anwalts. Den Umgang mit dem Problem der Adipositas in der Deutschen Rentenversicherung schildert Filz anschließend, abschließend beschäftigt sich der Beitrag von Lorenz mit den Beurteilungsmöglichkeiten, die sich in der Versorgungsmedizin-Verordnung hierzu ergeben. Ergänzend zu diesen Beiträgen findet sich in der Rubrik „Aus der Rechtsprechung“ die redaktionelle Bearbeitung von Becker eines Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom Dezember 2014 zur Frage Diskriminierung und Adipositas.

Die nachfolgenden Einzelbeiträge der Ausgabe beschäftigen sich mit gutachtlichen Fragen einer Skaphoidpseudarthrose, hierin werden von Hempfling nach ausführlicher Darstellung der Grundlagen Abgrenzungskriterien hinsichtlich Unfallfolge oder Berufskrankheit entwickelt. Der Beitrag von F. Weber hat zum Thema, inwieweit Instrumente der epidemiologischen Forschung als Hilfe für Kausalitätsbeurteilungen in der Begutachtung herangezogen werden können. Hiermit hatte sich auch schon vor längerer Zeit ein Heidelberger Gespräch beschäftigt („Medizinisch-wissenschaftliche Grundlagen der Kausalitätsbeurteilung – epidemiologische und individuelle Aspekte, ein Gegensatz?“), die Beiträge hierzu können in Heft 3/2001 dieser Zeitschrift nachgelesen werden. Zur Anwendung der Bradford-Hill-Kriterien bei Kausalitätsfragen zu Traumafolgestörungen kann ergänzend noch auf den Beitrag von Fabra in Heft 1/2014 der Zeitschrift verwiesen werden.

Die Diskussion zum Beitrag von Carstens und Schröter „Die Mammareduktionsplastik – orthopädische Aspekte“ in Heft 2/2015 dieser Zeitschrift wird im Leserforum dieser Ausgabe weitergeführt mit einer Stellungnahme von Müller.

E. Losch, Frankfurt/Main