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EDITORIAL

Mit dem vorliegenden Heft 1 des Jahres 2014 beginnt der 110. Jahrgang dieser Zeitschrift. Genau genommen sind seit ihrer Gründung 1894 zwar bereits 120 Jahre vergangen, wobei aber bedingt durch die Zeitumstände in der Mitte des 20. Jahrhunderts zehn Jahre lang kein Erscheinen der Zeitschrift möglich war.

Es ist jetzt gewiss keines besonders runden Jubiläums zu gedenken, wie dies nach Ablauf der ersten 100 Jahre geschehen konnte. Auf die umfassenden Ausführungen von Rauschelbach zum damaligen Datum zur Entstehungsgeschichte der Zeitschrift und ihren Zielen, nämlich der Förderung des Wissens um eine wissenschaftliche ärztliche Begutachtung, kann auf sein Editorial in der Ausgabe 6 des Jahres 1994 verwiesen werden. Das damals Geschriebene kann – wie auch vieles aus dem Geleitwort der ersten Ausgabe vom Januar 1895 – ohne Abstriche auch heute noch als gültig angesehen werden.

An dieser Stelle soll nur kurz auf das in den letzten 20 Jahren bis heute hierzu weiter Erreichte eingegangen werden. Die in diesen Jahren veröffentlichte Vielzahl von Büchern und Beiträgen zu Fragen der Begutachtung bis hin zu einer jetzt erschienenen Leitlinie der AWMF „Allgemeine Grundlagen der medizinischen Begutachtung“ lässt die Ernsthaftigkeit in den Bemühungen erkennen, in Fragen der Begutachtung – soweit dies im Biologischen überhaupt möglich ist – eine Genauigkeit in der Beurteilung zu erreichen und in breiter Übereinstimmung festzuschreiben, die jedem zu Begutachtenden die Gewissheit ermöglicht, dass sein Anliegen von jedem Gutachter vergleichbar beurteilt wird und diese Beurteilung auch durch Gerichte sachgerecht nachvollzogen werden kann. Dies dient schlussendlich neben der Sicherheit für den Begutachteten auch dem Frieden auf dem Gebiet des Sozialrechts.

Die Schriftleitung dieser Zeitschrift und auch der Beirat des mit ihr verbundenen „Heidelberger Gesprächs“ hoffen, hierzu ihren Beitrag geleistet zu haben. Sie werden sich dieser Aufgabe auch in den kommenden Jahren stellen und dabei auch neue Felder der Begutachtung erschließen. Man denke nur etwa an die Frage von Auswirkungen der Gendiagnostik oder von Priorisierungen im Gesundheitswesen, dies aber nicht im Sinne von einem „euphemistisch-verschleierndem Synonym für Rationierung“, wie Raspe kürzlich in einer lesenswerten Übersicht hierzu in der DMW (2013, 138: 1606) geschrieben hat. Auch werden für die äußere Form der Zeitschrift im Zeitalter der digitalen Medien Veränderungen eintreten, die in Form und Umfang bei weitem noch nicht abgeschätzt werden können. Pläne hierfür sind bereits in der Diskussion.

Es bleibt damit zu hoffen, dass die Hinweise von L. Becker in seinem „Lehrbuch der ärztlichen Sachverständigen-Tätigkeit“ aus dem Jahre 1914 hinsichtlich der Beurteilungen in ärztlichen Gutachten auch in Zukunft Gültigkeit haben werden: „Für die Beantwortung der Fragen findet sich in der medizinischen Literatur, besonders in den Jahrgängen der Ärztlichen Sachverständigen-Zeitung, ein so ausgiebiges Material, daß das Studium desselben die Gewinnung eines schlüssigen Urteiles in hohem Grade erleichtern wird“.

Zur Leserbefragung

Von November 2012 bis Juli 2013 war eine Leserbefragung durchgeführt worden, die aber leider nur eine geringe Anzahl von 64 Teilnehmern verzeichnete. Fast alle der antwortenden Leser waren Mediziner, nur wenige Juristen haben sich beteiligt. Angegeben wurde eine regelmäßige Lektüre des MedSach, die Mehrzahl dieser Leser beurteilt die Informationen als nützlich und die Zeitschrift als „gut“. Die eingegangenen Anregungen zu neuen Themen wird die Schriftleitung wenn möglich beachten. Geeignete Autoren zu einzelnen Themen zu finden ist nicht immer möglich.

Zu weiteren Anregungen befragt wird in der Mehrzahl der Antworten der Wunsch nach einem Online-Zugriff auf die Beiträge geäußert. Wie erwähnt ist dies schon in Arbeit und könnte möglicherweise im Laufe des Jahres 2014 umgesetzt werden.

Zu diesem Heft

Die Ausgabe 2014 beginnt mit einem Beitrag von Fabra zu Kausalitätserwägungen in der Psychotraumatolgie. Diese Erwägungen erfolgen entlang der neun Merksätze, die der britische Statistiker Austin Bradford Hill (der in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts als erster mit der „British Doctors Study“ einen Zusammenhang zwischen dem Rauchen und dem Auftreten von Lungenkrebs mittels statistischer Methoden nachweisen konnte) zur Überprüfung von Beziehungen in der Medizin formuliert hat. Diese Beweisführung ist nach Meinung des Autors in jedem Einzelfall auch einer Traumafolgestörung erforderlich, denn allein aus dem Nachweis von Diagnosekriterien wie etwa genannt im DSM nach einem psychischen Trauma ergibt sich nicht zwangsläufig auch ein kausaler Zusammenhang zum angeschuldigten Ereignis. Vor einer allzu häufigen Verwendung etwa der Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung hatte Dörner schon gewarnt, „wegen der Unspezifität des Syndroms, der Unspezifität der Traumen und wegen der Gefahr monokausaler Wahrnehmungsaneignung“.

Die Ausführungen von Mertens gehen auf die Unterschiede von Arbeitsunfähigkeit und Berufsunfähigkeit speziell im Rechtsgebiet der Privatversicherung ein und skizzieren die für den Gutachter dabei zu beachtenden Besonderheiten. Als Ergänzung kann noch auf die Informationen von Ostendorf zu Arbeitsunfähigkeit und Berufsunfähigkeit in der Privatversicherung in der Rubrik „Berichte und Informationen“ in diesem Heft auf Seite 19 verwiesen werden.

Dass Gutachten in ihren Schlussfolgerungen voneinander abweichen können, ohne deswegen fehlerhaft zu sein, ist jedem erfahrenen Gutachter bekannt. Die sich hier ergebenden Spielräume und den Umgang mit ihnen aus medizinischer und juristischer Sichtweise leuchtet Brettel in seinem Beitrag aus. Dass, wie von ihm ausgeführt, immer noch eine fehlende Streitkultur unter ärztlichen Gutachtern beobachtet werden muss, ist sicher bedauerlich und sollte für die Zukunft im Interesse der Sache auch einmal Thema gutachterlicher Fortbildungen sein. Als Ergänzung zu diesen Ausführungen kann zusätzlich auf den Beitrag von Marx „Objektivität des Gutachters – eine notwendige Illusion?“ in Heft 6 des Jahrgangs 2012 dieser Zeitschrift hingewiesen werden.

Zur gutachtlichen Bewertung regionaler Schmerzsyndrome (complex regional pain syndrom, CRPS) finden sich Vorschläge von Widder und Tegenthoff im anschließenden Beitrag, ferner Hinweise zu den diagnostischen Kriterien dieser vorwiegend klinisch zu stellenden Diagnose. Mit dem speziellen Fall eines solchen complex regional pain syndrom Typ 1 und seiner Invaliditätsbemessung, hier speziell dem Sudeck-Syndrom, beschäftigt sich gleich anschließend noch im letzten Beitrag dieses Heftes Klemm am Beispiel einer solchen Heilentgleisung nach Teilamputation im Handbereich. Die Invaliditätswerte hierzu sind in der Diskussion, seine Vorschläge sind ein Beitrag hierzu.

Zum Vormerken sei als Termin für das nächste „Heidelberger Gespräch“ an dieser Stelle schon der 8. und 9. Oktober 2014 genannt. Eine Übersicht der vorgesehenen Themen wird im nächsten Heft gegeben.

E. Losch, Frankfurt/Main