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Neues zur Begutachtung von Lärmschwerhörigkeit und Knalltrauma

Über aktuelle Studien, die für die Begutachtung von Lärmschwerhörigkeit und Knalltrauma von Bedeutung sind, berichtete Gerhard Hesse, Tinnitusklinik und Ohr- und Hörinstitut Hesse(n) am Krankenhaus Bad Arolsen, auf dem HNO-Update-Seminar am 24. und 25 November 2017 in Mainz.

Lärmgutachten: Neben der Audiometrie die Anamnese beachten

In einer deutschen Studie wurden exemplarisch 100 konsekutive Fälle von begutachteten Lärmschwerhörigkeitsfällen untersucht [1]. Dazu wurden die Lärmgutachten in einer retrospektiven Nachlese analysiert. Insbesondere audiometrische Daten, die Tinnitusanamnese und das Vorliegen einer Lärmexposition wurden erhoben, aber auch Vor- und Nachschäden sowie die Anwendung von Gehörschutz.

In diesem Gesamtkollektiv erfüllten nur 67 % der Untersuchten die Voraussetzung einer Lärmschwerhörigkeit; nur 9 % waren entschädigungspflichtig. Allerdings erfüllten 82 % der Gruppe rein tonaudiometrisch typische Merkmale einer Lärmschwerhörigkeit, von denen mindestens 75 % sechs Kriterien nach den Vorgaben der BK-Nr. 2301 (Lärmschwerhörigkeit) aufwiesen. Über Tinnitus klagte ca. 1/4 der Begutachteten.

Die Autoren folgern, dass neben der Audiometrie besonders die Anamnese in der Begutachtung von Lärmschwerhörigkeiten extrem wichtig ist, aber auch externe Voraudiogramme sollten unbedingt in die Begutachtung mit einbezogen werden. Auch sei die Verwendung objektiver Hörtests, wie insbesondere der otoakustischen Emissionen, sehr sinnvoll.

Vorübergehende Hörschwellenabwanderung durch Impulslärm

Weiter berichtete Hesse über eine Publikation von Michel [2] zum bekannten Problem einer vorübergehenden Hörschwellenabwanderung durch Impulslärm, wie er etwa bei Knall, Schüssen, Hammerschlägen und Explosionen auftreten kann. Hierbei ändern sich Lärmpegel zeitlich sehr schnell und treten auch sehr hoch auf. Die Folge ist praktisch immer eine vorübergehende Hörschwellenabwanderung („temporary threshold shift“ – TTS).

Die vorliegende Arbeit referiert u. a. über diesbezügliche Untersuchungen von zwölf jungen Männern, die einem simulierten Überschallknall von 152 dB mit 45 ms Dauer sowie einer Explosion mit einem Spitzenwert von 171 dB mit einer Dauer von 9 ms ausgesetzt wurden. Bleibende Hörschäden traten hier nicht auf, die TTS betrug bei allen Untersuchten nicht mehr als 10 bis 15 dB und bildete sich innerhalb von drei bis vier Stunden vollständig zurück.

Aus diesen und ähnlichen Versuchen wurden dann Pegelberechnungen durchgeführt, die einen sogenannten Sound Exposure Level (SEL) festlegen. Damit wird die Energie beschrieben, die in einer Sekunde einwirkt und der Energie des aktuellen Lärmereignisses entspricht. So wird bei einem Gewehrschuss am Ohr durch Schützen ein Pegel von 116 dB SEL erreicht, was einem Spitzenwert von 153 dB entspricht.

Als Ergebnis wird vom Autor festgestellt, dass bei kurzfristigen starken Lärm-einwirkungen vorübergehende Schwellenabwanderungen häufig sind und auch von Ohrgeräuschen und einem dumpfen Ohrdruckgefühl begleitet werden können. Das Gehör erholt sich aber in der Regel innerhalb von Stunden bis zu wenigen Tagen wieder.

Mittel- und Innenohrschädigung durch Explosionstrauma

In einer Studie der französischen Armee [3] wurden retrospektiv audiometrische Daten von Patienten ausgewertet, die einem sogenannten Explosionstrauma (durch massive Explosionen) ausgesetzt waren. Insgesamt waren es 41 Patienten, von denen 36 über Tinnitus klagen, 25 über Hörverlust, 14 über Ohrenschmerzen und 8 über Schwindel.

Immerhin hatten 44 % dieser Patienten eine traumatisch bedingte Trommelfellruptur, bei 2/3 sogar beidseits. Trotzdem war der Hörverlust bei 29 % rein innenohrbedingt, bei 55 % betraf er sowohl die Schallleitung (Trommelfellruptur) als auch Innenohrschäden und bei 15 % war er rein schallleitungsbedingt.

Literatur

1Reiter R, Brosch S: Occupational Hearing Loss (BK-No. 2301) – A Retrospective Analysis of 100 Consecutive Cases. Laryngo-Rhino-Otologie 2016; 95: 694–701

2Michel O: Vorübergehende Schwellenabwanderung (Vertäubung) durch Impulslärm. HNO 2017; 65: 256–260

3Ballivet de Regloix S, Crambert A, Maurin O et al: Blast injury of the ear by massive explosion: A review of 41 cases. J R Army Med Corps 2017, DOI: 10.1136/jramc-2016-000733

G.-M. Ostendorf, Wiesbaden