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Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 5.3.2014 — L 6 SF 78/14 E

Leitsätze:

1. Das Honorar eines Sachverständigen errechnet sich nach der erforderlichen Zeit. Es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Angaben des Sachverständigen über die tatsächlich benötigte Zeit richtig sind. Werden die üblichen Erfahrungswerte um mehr als 15 % überschritten, so ist eine Plausibilitätsprüfung anhand der Angaben des Sachverständigen durchzuführen.

2. Für die Aktendurchsicht einschließlich der Fertigung von Notizen erscheint ein Zeitaufwand von einer Stunde für 80 Blatt mit 1/4 medizinischem Inhalt angemessen.

Aus den Gründen:

(1–8) II. Die Heranziehung des Erf. erfolgte mit Beweisanordnung vom 21.5.2013. Damit wird die Vergütung nach dem Gesetz über die Vergütung von Sachverständigen, Dolmetscherinnen, Dolmetschern, Übersetzerinnen und Übersetzern sowie die Entschädigung von ehrenamtlichen Richterinnen, ehrenamtlichen Richtern, Zeuginnen, Zeugen und Dritten (Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz ) in seiner Fassung bis 31.7.2013 (= a.F.) berechnet (§ 24 JVEG). ..

(9) Bei der Erinnerungsentscheidung sind alle für die Bemessung der Vergütung maßgeblichen Umstände zu überprüfen, unabhängig davon, ob sie angegriffen werden (ständige Senatsrechtsprechung, vgl. u.a. Beschluss vom 13.8.2013 – L 6 SF 266/13 E m.w.N.; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof , Beschluss vom 10.10.2005 – 1 B 97.1352, nach juris). Hierbei ist der Senat weder an die Höhe der Einzelansätze noch an den Stundenansatz oder die Gesamthöhe der Vergütung in der Festsetzung durch die UdG oder den Antrag der Beteiligten gebunden; er kann lediglich nicht mehr festsetzen als beantragt wurde.

(10–11) Nach § 8 Abs. 1 JVEG erhalten Sachverständige als Vergütung

  1. ein Honorar für ihre Leistungen (§§ 9 bis 11 JVEG),
  2. Fahrtkostenersatz (§ 5 JVEG),
  3. Entschädigung für Aufwand (§ 6 JVEG) sowie
  4. Ersatz für sonstige und besondere Aufwendungen (§§ 7 und 12 JVEG).

(12) Soweit das Honorar nach Stundensätzen zu bemessen ist, wird es nach § 8 Abs. 2 JVEG für jede Stunde der erforderlichen Zeit einschließlich notwendiger Reise- und Wartezeiten gewährt (Satz 1); die letzte bereits begonnene Stunde wird voll gerechnet, wenn mehr als 30 Minuten für die Erbringung der Leistung erforderlich war (Satz 2 Halbs. 1).

(13) Das Honorar eines Sachverständigen errechnet sich entsprechend den §§ 9 Abs. 1 S. 1, 8 Abs. 2 JVEG nach der erforderlichen Zeit. Sie ist nach einem abstrakten Maßstab zu ermitteln, der sich an dem erforderlichen Zeitaufwand eines Sachverständigen mit durchschnittlicher Befähigung und Erfahrung bei sachgemäßer Auftragserledigung mit durchschnittlicher Arbeitsintensität orientiert (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26.7.2007 – 1 BvR 55/07; BGH; Beschluss vom 16.12.2003 – X ZR 206/98; Senatsbeschlüsse vom 5.3.2012 – L 6 SF 1854/11 B und 21.12.2006 – L 6 B 22/06 SF; Hartmann in Kostengesetze, 43. Auflage 2013, § 8 JVEG Rdnr. 35). Zu berücksichtigen sind die Schwierigkeiten der zu beantworteten Fragen unter Berücksichtigung der Sachkunde auf dem betreffenden Gebiet, der Umfang des Gutachtens und die Bedeutung der Streitsache (vgl. BGH, Beschluss vom 16.12.2003 – X ZR 206/98; Ulrich, Der gerichtliche Sachverständige, 12. Auflage 2007, Rdnr. 841). Es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Angaben des Sachverständigen über die tatsächlich benötigte Zeit richtig sind (vgl. Senatsbeschluss vom 13.8.2013 – L 6 SF 266/13 E; Hessisches LSG, Beschluss vom 11.4.2005 – L 2/9 SF 82/04; LSG Baden-Württemberg vom 22.9.2004 – L 12 RJ 3686/04 KO-A). Werden die üblichen Erfahrungswerte allerdings um mehr als 15 v.H. überschritten, ist eine Plausibilitätsprüfung anhand der Kostenrechnung und der Angaben des Sachverständigen durchzuführen (vgl. Senatsbeschluss vom 21.12.2006 – L 6 B 22/06 SF; Bayerisches LSG, Beschluss vom 18.5.2012 – L 15 SF 104/11).

(14–15) Die Aufteilung der Sachverständigenleistung erfolgt entsprechend dem Thüringer „Merkblatt über die Entschädigung von medizinischen Sachverständigen“ grundsätzlich in fünf Bereichen:

a) Aktenstudium und vorbereitende Arbeiten,

b) Erhebung der Vorgeschichte,

c) notwendige Untersuchungen,

d) Abfassung der Beurteilung,

e) Diktat sowie Durchsicht des Gutachtens.

(16) Für das Gutachten vom 3.12.2013 war angesichts der übersandten Unterlagen und Angaben sowie unter Berücksichtigung der üblichen Erfahrungswerte der beantragte Zeitaufwand von 22 Stunden erforderlich

(17) Der Ansatz von 4 Stunden für die Aktendurchsicht von 240 Blatt (Gerichts- und Verwaltungsakten, Gutachten des Prof. Dr. T.) und den vorbereitenden Schriftverkehr ist plausibel. Der Senat unterstellt in ständiger Rechtsprechung, dass ein Sachverständiger für das Aktenstudium und vorbereitende Maßnahmen einschließlich der Fertigung von Notizen und Exzerpten ohne Doppelheftungen einen Zeitaufwand von etwa einer Stunde für etwa 80 Blatt mit ca. ¼ medizinischem Inhalt benötigt (vgl. u. a. Beschluss vom 11.2.2003 – L 6 B 6/03 SF). Ist der medizinische Anteil höher (hier: ca. 1/3), sind die Akten mit allgemeinem und mit medizinischem Inhalt getrennt zu erfassen und unterschiedlich zu bewerten (vgl. Senatsbeschluss vom 27.8.2008 – L 6 SF 36/08: medizinische Unterlagen ca. 1 Stunde für 50 Blatt, sonstige Unterlagen ca. 1 Stunde für 100 Blatt). Allein die Aktendurchsicht könnte hier zwar keinen höheren Aufwand als 3 Stunden begründen. Allerdings ist zusätzlich der Zeitaufwand des Ef. durch den Schriftverkehr mit dem 1. Senat und dem Zusatzsachverständigen Prof. Dr. T. sowie durch die Befundung der Röntgenaufnahmen und CT-Aufnahmen zu berücksichtigen. Er ist mit 1 Stunde nicht zu hoch angesetzt.

(18) Auch die Zeitansätze für die Erhebung der Vorgeschichte (in der Kostenrechnung: Befragung) und die körperliche Untersuchung in Höhe von 3 Stunden und die Abfassung der Beurteilung von 10 Stunden sind akzeptabel. Letztere umfasst die Beantwortung der vom Gericht gestellten Beweisfragen und die nähere Begründung, also den Teil des Gutachtens, den das Gericht bei seiner Entscheidung verwerten kann, um ohne medizinischen Sachverstand seine Entscheidung begründen zu können, also die eigentlichen Ergebnisse des Gutachtens einschließlich ihrer argumentativen Begründung (vgl. Senatsbeschluss vom 26.3.2012 – L 6 SF 132/12 E). Sie kann sich an mehreren Stellen eines Gutachtens befinden. Auf bestimmte Unterschriften (z.B. Zusammenfassung, Beurteilung etc.) kommt es nicht an. Nicht zur Beurteilung gehören allerdings die Diagnosen, Diagnosekriterien nach ICD-10 (ohne Diskussion), Zitate aus der Literatur, Bilder und Graphiken sowie Sachverhalts- oder Beurteilungswiederholungen (vgl. Senatsbeschluss vom 26.3.2012 – L 6 SF 132/12 E). Hier befindet sich die Beurteilung nicht nur auf ca. 10 Blatt, wie die UdG angenommen hat, sondern auf ca. 15 Blatt (Seiten 16 bis 33). Trotz der vorhandenen Sachverhaltswiederholungen bestehen dann angesichts der Schreibweise keine Bedenken gegen den beantragten Zeitansatz.

(19) Für Diktat, Durchsicht und Korrektur des Gutachtens (34 Blatt) werden antragsgemäß 5 Stunden berücksichtigt.

(20–22) Die Vergütung erfolgt in der Honorargruppe M3 (60,00 Euro). …

(23–24) Die Vergütung des Ef. errechnet sich damit wie folgt:

22 Stunden x 85,00 Euro (Honorargruppe M3) = 1.870,00 Euro, Schreibauslagen: 79,00 Euro, Porto: 6,90 Euro, Besondere Leistungen: 21,22 Euro, Summe: 1.977,12 Euro.

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Redaktionell überarbeitete Fassung eingereicht von P. Becker