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Liposuktion bei Lipödem bietet Potenzial als Behandlungsalternative

„Wir wissen um den Leidensdruck der Patientinnen und die großen Erwartungen, die mit der Anwendung der Liposuktion verbunden sind. Bei der Aufnahme des Beratungsverfahren hatten wir die Hoffnung, gute wissenschaftliche Studien zum medizinischen Nutzen des Eingriffs für die Patientinnen zu finden. Schließlich handelt es sich um einen Eingriff, der bereits seit den 1990er Jahren angewendet wird. Leider hat sich diese berechtigte Erwartung nicht erfüllt, wir hätten uns hier ein anderes Ergebnis der Studienrecherche und -auswertung gewünscht. Stattdessen müssen wir feststellen, dass die vorhandenen Studien entscheidende Fragen – beispielsweise zur Notwendigkeit von Wiederholungseingriffen oder zur Funktionsfähigkeit der Lymphbahnen nach der Operation – offenlassen. Es gibt auch keine laufenden Studien, von denen wir uns hierzu Erkenntnisse erhoffen können. Der G-BA muss deshalb nun selbst tätig werden und das Instrument der Erprobungsstudie nutzen, um die wissenschaftliche Erkenntnislage zu verbessern. Wir erwarten, dass eine entsprechende Erprobungsrichtlinie im Januar 2018 beschlossen werden kann“, sagte Dr. Harald Deisler, unparteiisches Mitglied im G-BA und Vorsitzender des Unterausschusses Methodenbewertung, am Donnerstag in Berlin.

Das Lipödem ist eine chronische fortschreitende, schwer zu diagnostizierende Krankheit, von der fast ausschließlich Frauen betroffen sind. Zur Erkrankungshäufigkeit gibt es derzeit keine gesicherten Daten. In der internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten (ICD-10 Code) ist das Lipödem – differenziert nach Stadien – erst seit Beginn dieses Jahres zu finden.

Gekennzeichnet ist das Lipödem, das umgangssprachlich auch als Reiterhosensyndrom bezeichnet wird, durch eine massive Fettverteilungsstörung. Dabei kommt es zu einer symmetrischen Unterhautfettvermehrung und der Bildung von Ödemen (Schwellung des Gewebes aufgrund von Flüssigkeitseinlagerung). Da die Ursache der Erkrankung bisher unbekannt ist, zielt die in der Regel lebenslang anzuwendende konservative Therapie wie Lymphdrainage, Kompression, Bewegungstherapie auf eine Linderung der Beschwerden ab. Die bestehende Fettvermehrung kann hiermit jedoch nicht beeinflusst werden. Die Liposuktion ist ein chirurgischer Eingriff, bei dem das krankheitsbedingt vermehrte Fettgewebe entfernt wird. In der Regel müssen die Betroffenen für eine Behandlung mehrmals operiert werden.
Was bedeutet der G-BA-Beschluss für den Leistungsanspruch der Patienten?

Im Rahmen der zukünftigen Erprobungsstudie werden für Studienteilnehmende die Kosten der Liposuktion übernommen.
Der reguläre Leistungsanspruch für GKV-Versicherte bleibt bis zu einer abschließenden Beschlussfassung des G-BA unverändert.

Wie sind die nächsten Schritte?
Pressemitteilung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA)
Die Beschlüsse zur Aussetzung des Methodenbewertungsverfahrens werden dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) zur Prüfung vorgelegt und treten nach Nichtbeanstandung und Veröffentlichung im Bundesanzeiger in Kraft.

Anschließend wird der G-BA die Eckpunkte des Studiendesigns beraten und in einer Erprobungs-Richtlinie festlegen. Die Erprobungsstudie muss so angelegt sein, dass sie eine Bewertung des Nutzens und der Risiken der Liposuktion auf einem ausreichend sicheren Erkenntnisniveau ermöglicht. Die Eckpunkte umfassen insbesondere Konkretisierungen zu den entsprechenden Indikationen, Vergleichsinterventionen, patientenrelevanten Endpunkten, dem jeweils benötigten Studientyp sowie zu den sächlichen, personellen und sonstigen Anforderungen an die Qualität der Leistungserbringung.

Zu untersuchende offene Aspekte sind insbesondere:

Nutzen der Liposuktion in Bezug auf Symptomreduktion, Lebensqualität und Erfordernis (weiterer) konservativer Behandlung im Vergleich zu nichtinvasiven Maßnahmen,
Notwendigkeit von Folge- beziehungsweise Wiederholungseingriffen sowie
Risiken der Operationen und langfristige Sicherheit der Methode.

Durchführung und Auswertung der Studie werden von einer unabhängigen wissenschaftlichen Institution übernommen, die im Rahmen einer öffentlichen Ausschreibung ermittelt werden muss.
Hintergrund: Methodenbewertung der Liposuktion

Der G-BA ist vom Gesetzgeber beauftragt zu entscheiden, welchen Anspruch gesetzlich Krankenversicherte auf medizinische oder medizinisch-technische Untersuchungs- und Behandlungsmethoden haben. Im Rahmen eines strukturierten Bewertungsverfahrens überprüft der G-BA deshalb, ob Methoden oder Leistungen für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse in der vertragsärztlichen und/oder stationären Versorgung erforderlich sind.

Zum Abschluss eines strukturierten Methodenbewertungsverfahrens entscheidet der G-BA darüber, ob und inwieweit – d.h. für welche genaue Indikation und unter welchen qualitätssichernden Anforderungen – eine Behandlungsmethode ambulant und/oder stationär zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) angewendet werden kann. Lässt die wissenschaftliche Datenlage noch keine sichere Entscheidung zum Nutzen bzw. Schaden und der Notwendigkeit zu, muss – bei Feststellung eines Potenzials als Behandlungsalternative – die Methode im Rahmen einer Studie erprobt werden. Für die Dauer der Erprobung ist das Methodenbewertungsverfahren zeitlich befristet auszusetzen.

Das Verfahren zur Bewertung der Liposuktion bei Lipödem geht auf einen Beratungsantrag der Patientenvertretung im G-BA zurück.

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