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Unfallfolgen bei Nierenspende als Arbeitsunfall

Gründe: Der Kläger hat als Organspender zugunsten seines Bruders einen Arbeitsunfall erlitten, als sich bei ihm infolge der stationären operativen Nierenentnahme eine teilweise und unvollständige Lähmung der Bauchwand links einstellte. Da die Tatsachenfeststellungen des LSG aber nicht ausreichten zu entscheiden, ob und wann dies vor dem 5.11.2009 geschehen war, wurde das Urteil des LSG aufgehoben und der Rechtsstreit zurückverwiesen.
Der Kläger hat den Tatbestand der versicherten Tätigkeit der Organspende iS des § 2 Abs 1 Nr 13 Buchst b SGB VII durch eigene Handlungen/Verrichtungen erfüllt. Er hat zum freiwillig erklärten Zweck, seinem Bruder eine Niere zu spenden, iS der § § 8, 9 des Transplantationsgesetzes 1997 in die Entnahme seiner Niere und deren Übertragung auf seinen Bruder, einen Verwandten zweiten Grades, eingewilligt, sich in ein Transplantationszentrum begeben und sich der operativen Entfernung seiner Niere (einschließlich Vorbehandlung und Nachbetreuung) zur Verfügung gestellt. Damit hat er objektiv und subjektiv alles getan, was er im Herbst 2002 tun konnte, um seinem Bruder sein Organ zu spenden. Entgegen dem LSG war hierfür unerheblich, dass die operative Nierenentnahme von Ärzten und anderen Kräften des Krankenhauses durchgeführt wurde. Denn der Tatbestand einer versicherten Tätigkeit kann nur durch Verrichtungen/Handlungen des Verletzten selbst erfüllt worden sein. Die Verrichtung einer versicherten Tätigkeit ist eine höchstpersönliche Handlung. Eine Zurechnung des Handelns anderer Personen ist hierbei ausgeschlossen.
Entgegen dem LSG war es infolge dieser Verrichtung einer versicherten Tätigkeit zu einem Unfall iS des § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII und damit zu einem Arbeitsunfall gekommen. Dies zu entscheiden, reichten die tatsächlichen Feststellungen des LSG aus. Das im Wesentlichen durch dies Handeln des Klägers verursachte (Unfall-) Ereignis bestand ua in dem zur operativen Nierenentnahme durchgeführten chirurgischen Flankenschnitt. Er war ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper des Klägers einwirkendes Ereignis. Entgegen dem LSG war die dadurch verursachte Beeinträchtigung der Gesundheit des Klägers kein Gesundheitserstschaden iS des § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII. Zwar würde es dem an der Alltagserfahrung ausgerichteten sog natürlichen Schadensbegriff entsprechen, jede Beeinträchtigung der körperlichen Integrität durch ein solches Ereignis als Gesundheits¬schaden zu bewerten. Maßgeblich ist aber bei jedem Tatbestand einer versicherten Tätigkeit die juristisch-normative Wertung nach Maßgabe des jeweiligen Schutzzwecks der Norm. § 2 Abs 1 Nr 13 Buchst b SGB VII soll (freiwillige) Lebendorganspender iS des Transplantations¬gesetzes gegen alle Gesundheitsbeeinträchtigungen (einschließlich des Todes) Unfall versichern, die durch die Organentnahme verursacht sind und über die Beeinträchtigungen hinausgehen, welche notgedrungen mit der nach dem Stand der medizinischen Wissen¬schaft durchgeführten operativen Organentnahme (einschließlich Vor- und Nachbehandlung sowie dauerhaftem Organverlust und dessen Folgen) verbunden sind. Ein Gesundheits¬schaden iS des § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII liegt daher im Bereich des § 2 Abs 1 Nr 13 Buchst b SGB VII nur und immer bei einer Gesundheitsbeeinträchtigung vor, die durch den Entnahmevorgang zusätzlich zu den mit diesem notgedrungen verbundenen Beeinträch¬tigungen wesentlich verursacht wurde. Dies war bei dem Flankenschnitt wie bei der ganzen komplikationslos verlaufenen stationären Behandlung des Organspenders nicht der Fall.
Der den Arbeitsunfall begründende Gesundheitserstschaden bestand in der vom LSG festgestellten partiellen Bauchwandparese links. Sie war durch die Nierenentnahme, zusätzlich zu den Operations- und Behandlungseingriffen und dem Organverlust, verursacht und rechtlich wesentlich der durch das Gesetz geschützten und geförderten Organspende des Klägers zuzurechnen.
Entgegen dem LSG ist unerheblich, dass es sich um einen Gesundheitsschaden handelt, der nach derartigen Operationen "häufig" auftritt. Denn es handelt sich um einen Schaden, der über die gesundheitlichen Beeinträchtigungen durch die operative Entnahmebehandlung bei komplikationslosem Verlauf hinausgeht. Demgegenüber fallen die mit der operativen Entnahme notgedrungen verbundenen Gesundheitsbeeinträchtigungen (einschließlich des Organverlustes und der sich daraus ergebenden Folgen) unter den Schutz der gesetzlichen oder privaten Krankenversicherung des Organempfängers, hier also des Bruders. Entgegen dem LSG ist auch unerheblich, dass sich der Kläger "freiwillig" der Organspende unterzogen hat. Das ist schon Tatbestandsvoraussetzung der versicherten Tätigkeit ("Spende") und kann schon deshalb den Eintritt eines Versicherungsfalles nicht ausschließen.
Ferner sind die wie auch immer zu verstehende "Freiwilligkeit" der das "Ereignis" verursachenden Verrichtung oder die "Unvorhersehbarkeit" des Gesundheitsschadens keine Tatbestandsvoraussetzungen des gesetzlichen Unfallbegriffs des § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII. Maßgeblich für die Erheblichkeit oder Unbeachtlichkeit dieser Aspekte ist grundsätzlich der Schutzzweck des jeweiligen Versicherungstatbestandes.