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Editorial

Die erste Ausgabe dieser Zeitschrift im neuen Jahr hat das Thema „Kannversorgung“ zum Schwerpunkt. Hierbei „kann nach § 1 Abs. 3 Satz 2 Bundesversorgungsgesetz (BVG) eine Gesundheitsstörung als Schädigungsfolge anerkannt werden, wenn die zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung erforderliche Wahrscheinlichkeit nur deshalb nicht gegeben ist, weil über die Ursache des festgestellten Leidens in der medizinischen Wissenschaft Ungewissheit besteht (Kannversorgung)“. Vergleichbares gilt auch für alle weiteren Gesetze des sozialen Entschädigungsrechts.

Diese Besonderheit aus dem sozialen Entschädigungsrecht ist sicher kein Thema, das dem Gutachter häufig begegnet, manchen vermutlich niemals. Ein umfassend informierter Gutachter sollte aber Kenntnis von dieser „Kannversorgung“ haben. Der Begriff „Kannversorgung“ wurde mit dem 2. Neuordnungsgesetz (NOG) zum BVG im Jahre 1964 eingeführt, wobei seit dem 1. Neuordnungsgesetz aus dem Jahre 1960 zu diesem Problem der Ungewissheit zu einer Krankheitsursache bereits der Begriff „Härteausgleich“ (§ 89 Abs. 2 BVG) existierte. Hierin war die „Kannversorgung“ allerdings wirklich auch nur eine Ermessensleistung, während die jetzige „Kannversorgung“ kein Ermessen mehr beinhaltet, das „kann“ weist nur noch auf die gegebene Möglichkeit der Anerkennung von Schädigungsfolgen unter den beschriebenen Voraussetzungen hin. Liegen diese Voraussetzungen vor besteht eine Anspruchsversorgung. Der Gesetzgeber wollte zum damaligen Zeitpunkt dem Umstand abhelfen, dass zuvor bei in ihrer Ursache unklaren Krankheiten Gutachter unter Bezug auf unterschiedliche Ansichten in der medizinischen Wissenschaft (in den fünfziger Jahren war dies hauptsächlich zum Krankheitsbild der Multiplen Sklerose) auch zu unterschiedlichen Aussagen zur Kausalität kamen, was meist zur Ablehnung von Versorgungsansprüchen führte.

Ein ausführlicher Überblick zu den Grundlagen der „Kannversorgung“ wird im ersten Beitrag dieser Ausgabe noch einmal von Rösner gegeben. Versorgungsärztliche Fragen vor dem Hintergrund der „Kannversorgung“ zu den Krankheitsbildern eines Dravet-Syndroms (Kusnik, Lorenz, Kleiser, Kluger), des Diabetes mellitus (Bäuerle, Martin, Lorenz) und der Multiplen Sklerose (Kleiser, Lorenz, Kusnik) als Impfschadensfolge füllen dann die folgenden drei Beiträge.

Es bleibt noch zu erwähnen, dass mit der Fortschreibung der Sozialgesetzbücher im laufenden Jahr die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass die Grundlagen zur „Kannversorgung“ aus § 1 Abs. 3 Satz 2 BVG in vermutlich im Wesentlichen unveränderter Form mit dem Inkrafttreten des zu erwartenden SGB XIV dorthin umsiedeln werden.

Für den Terminkalender des neuen Jahres sei zum Abschluss gleich noch ein Eintrag vorgeschlagen: der 9. und 10. Oktober, an diesen Tagen wird das Heidelberger Gespräch 2019 stattfinden. Tagungsort ist wiederum das Kongresszentrum des Deutschen Krebsforschungszentrums. Die Themenblöcke werden sich mit den wissenschaftlichen Grundlagen für die sozialmedizinische Leistungsbeurteilung einschließlich der Beurteilung der psychischen Leistungsfähigkeit befassen, vorgesehen ist weiter die Beschäftigung mit juristischen und medizinischen Fragen der Berufsunfähigkeit, Erwerbsunfähigkeit und Grundfähigkeit in der Privatversicherung. Und da das Thema Fake-News über die Politik hinaus auch weitere gesellschaftliche Auseinandersetzungen und damit auch die gutachterliche Arbeit beginnt zu beeinflussen: Reichsbürger und Verschwörungstheorien. Der Beirat hofft auf eine rege Teilnahme.

E. Losch, Frankfurt am Main