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Editorial

Vor dem Hintergrund der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention und des Gedankengerüstes der ICF wird schon seit längerer Zeit eine Diskussion auch um die seit Jahrzehnten gebräuchlichen GdS/GdB bzw. MdE-Tabellen geführt. Hinsichtlich der „Anhaltspunkte“, herausgegeben vom Reichsarbeitsministerium und später vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales, die seit dem Jahre 1920 zunächst allein für die Kriegsopferversorgung, später für das gesamte soziale Entschädigungsrecht und dann auch für das Schwerbehindertenrecht den anerkannten Bewertungsrahmen abgaben, war von Seiten des Bundessozialgerichts schon lange die fehlende demokratische Legitimation bemängelt worden. Diesem Umstand hat der Gesetzgeber mit der im Januar 2009 in Kraft getretenen „Versorgungsmedizin-Verordnung“ abgeholfen, deren Anlage „Versorgungsmedizinische Grundsätze“ die aktuell gültigen GdS- bzw. GdB Werte wiedergeben. Diese „Grundsätze“ befinden sich seit einiger Zeit in umfassender Überarbeitung.

Dem Rechtsgebiet der gesetzlichen Unfallversicherung mangelt es an einer vergleichbaren Verordnung, die hier zur Anwendung kommenden MdE-Tabellen sind, wie im ersten Beitrag dieser Ausgabe von Spellbrink ausgeführt, „rechtsstaatlich problematisch“, da der Gesetzgeber am Verfahren der Entstehung dieser Tabellen keinen Anteil hat. Eine Tätigkeit des Gesetzgebers hin zu einer solchen demokratischen Legitimation sieht der Autor nicht, auch nicht vor dem Hintergrund der Frage, dass die Verletztenrenten etwa durch neue prothetische Versorgungen eine Änderung auch hin zu einer Absenkung erfahren könnten. Zu dieser Diskussion über das Zustandekommen von Beurteilungsrichtlinien kann zusätzlich auf den Beitrag von Hempfling und Mitautoren im „Leserforum“ verwiesen werden, hier allerdings für das Gebiet der privaten Unfallversicherung.

Die im Bereich der Begutachtung in der Verkehrsmedizin für den Gutachter häufig zu beantwortende Frage, ob nach bestimmten Erkrankungen das Führen eines Kraftfahrzeuges oder eines Lastkraftwagens noch oder wieder möglich ist, schließt gerade bei nicht vollständiger Restitutio ad intergrum einer Erkrankung oder Verletzung meist die Aussage darüber ein, was als akzeptables Risiko hierbei noch angesehen werden kann. Zu dieser Frage gibt es in den maßgeblichen Begutachtungswerken keine klare Aussage, im folgenden Beitrag von Weber wird vom Blickwinkel der Flugmedizin her eine Aussage hierzu versucht.

Die letzten beiden Beiträge dieser Ausgabe setzen sich für das Rechtsgebiet der gesetzlichen Unfallversicherung mit Kausalitätsfragen zu einem Achillessehnenschaden, dies vor dem Hintergrund eines Urteils des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt, (Ludolph und Mitautoren) sowie zum Krankheitsbild einer jugendlichen Hüftkopflösung (Thomann und Mitautoren) auseinander.

Zuletzt findet sich wie in den jeweils letzten Ausgaben der vorangegangenen Jahre schon eine „Tafel“ mit einem Überblick über die aktuelle Gutachtenliteratur. Bei der diesjährigen Überarbeitung fiel auf, dass für das Gebiet der Gutachtenmedizin keine Neuausgaben aufgenommen werden konnten, und weiter, dass auch zu schon älteren Werken keine an sich zu erwartenden Neuauflagen erschienen waren. Ob sich hierin bereits Auswirkungen des neuen Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetzes zeigen, ist natürlich abschließend noch nicht zu beurteilen, aber doch durchaus zu vermuten. Sollte es sich danach für die Verlage nicht mehr lohnen, derartige Werke zu verlegen, dürfte der Wissensgesellschaft nicht unbedingt ein Dienst erwiesen worden sein. Ohne kontinuierlich aktualisiertes Wissen auch in Buchform wird es aber für den Gutachter schwierig werden, besonders in problematischen Einzelfragen die gerichtlich geforderte „herrschende Meinung“ oder ein „Erfahrungswissen“, von denen in der Ausgabe im meheren Beiträgen die Rede ist, als Grundlage seiner Beurteilung heranzuziehen.

E. Losch, Frankfurt am Main